«Wir haben ein hohes Grundvertrauen ineinander»

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Foto: Stephan Bögli

Walter Reusser (Bereich Sport) und Diego Züger (Bereich Commercial) übernahmen mit Beginn der Saison 2023/24 als Co-CEO die operative Führung von Swiss-Ski. Im Interview äussern sich die beiden nach ihrem ersten gemeinsamen Jahr an der Spitze des Verbandes unter anderem zur herausragenden Saison im alpinen Ski-Weltcup, zu bewältigten und noch zu meisternden Herausforderungen sowie zu ihrer Zusammenarbeit in neuer Rolle – und sie blicken bereits auf die kommende Saison mit den zwei Heim-Weltmeisterschaften im Biathlon und Ski Freestyle/Snowboard voraus.

Mit dem neuerlichen Sieg in der Nationenwertung, den Triumphen im Gesamtweltcup von Lara Gut-Behrami und Marco Odermatt sowie fünf kleinen Kristallkugeln erlebte Swiss-Ski bei den Alpinen einen Winter, der nur in der Saison 1986/87 getoppt wurde. Besser kann es kaum mehr werden.

Walter Reusser: Grundsätzlich sollte man es nicht so sehen. Die Resultate zeigen vielmehr, dass wir stolz sein dürfen auf die Arbeit, die im Alpin-Bereich gemacht wird. Uns gelingt es, die Vielzahl an Athletinnen und Athleten so zu unterstützen, um in den Rennen erfolgreich zu sein. Wir sind glücklich, in einer Zeit für Swiss-Ski Verantwortung tragen zu dürfen, in welcher das Team, angeführt von Aushängeschildern wie Lara Gut-Behrami oder Marco Odermatt, Woche für Woche herausragende Leistungen zeigt.

Welche Bedeutung haben die eben angesprochenen Marco Odermatt und Lara Gut-Behrami für den Verband – abgesehen von Weltcup-Siegen und Kristallkugeln?

Reusser: Sie geben dem Team eine grosse Stabilität und Sicherheit. Die anderen Teammitglieder wissen, dass Top-Athleten unter ihnen sind, die zufrieden sind mit den Rahmenbedingungen, die wir ihnen bieten, und die uns auf höchstem Niveau challengen. Für die Teamkolleginnen und Teamkollegen sind sie – in jedem einzelnen Training – die perfekten Gradmesser. Auf der anderen Seite nehmen Marco und Lara, die mehrfach bewiesen haben, mit einer hohen Erwartungshaltung umgehen zu können, als Zugpferde auch Druck von den anderen Athletinnen und Athleten.

Diego Züger: Der sportliche Erfolg ist die Grundlage, um den Schweizer Schneesport vermarkten zu können, dass sich die Leute für ihn interessieren und dass positive Emotionen geschaffen werden. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir sportlich schon seit einigen Jahren sehr erfolgreich unterwegs sind. Ausnahmepersönlichkeiten wie Lara Gut-Behrami und Marco Odermatt schaffen es, auch Leute ausserhalb unserer eigentlichen Zielgruppe und Fanbase für den Skisport zu begeistern, sie vor den Fernseher oder an die Events vor Ort zu bringen.

Es gilt stets von Neuem, unseren rund 300 Athletinnen und Athleten und dem gesamten Betreuer-Stab die bestmöglichen Rahmenbedingungen bereitstellen zu können.

Walter Reusser, CEO Sport

Was bleibt euch – abgesehen von der herausragenden Saison im Ski Alpin – vom Winter 2023/24 in Erinnerung?

Reusser: Mich begeistert beispielsweise Mathilde Gremaud immer wieder aufs Neue. Sie hat in ihrem Alter schon so unglaublich viel erreich. Dem Freeski-Weltcup hat sie in diesem Winter auf eindrückliche Weise ihren Stempel aufgedrückt und als erste Freestylerin drei Kristallkugeln gewonnen. Das ist schlichtweg herausragend. Gefreut haben mich aber auch verschiedene Entwicklungen im nordischen Bereich. Lena Häcki-Gross hat sich als schon etwas ältere Biathletin zur mehrfachen Weltcup-Siegerin entwickelt, im Langlauf durften wir auf Männer-Seite zwei Podest-Premieren erleben – und auch im Skispringen sorgte Gregor Deschwanden – nach ein paar Jahren Wartezeit – wieder für Schweizer Podestjubel. Beeindruckend ist zudem, wie unser Skicross-Team seit Jahren auf absolutem Topniveau unterwegs ist.

Züger: Wir haben in neun von elf Sportarten in diesem Winter Weltcup-Podestplätze errungen. Das zeigt, wie erfolgreich wir eben auch in der Breite unterwegs sind. Einen besonderen Dank auszusprechen gilt es an dieser Stelle unseren Partnern, denn ohne ihr Engagement wären die zahlreichen sportlichen Erfolge, die wir erleben durften, nicht möglich. Besonders in Erinnerung bleibt jeweils, wenn unsere Athletinnen und Athleten bei den Heim-Weltcups reüssieren – und dies ist ihnen im vergangenen Winter gleich mehrfach gelungen. Neben den Erfolgen der Alpinen bei den Heimklassikern denke ich auch an die Podestplätze von unserem Snowboardcross-Team beim Weltcup im Engadin oder von Nadine Fähndrich über 20 km im Goms, mit denen man nicht unbedingt hatte rechnen dürfen. Wir durften bei allen Heim-Weltcups Schneesport-Feste zelebrieren. Ein Meilenstein war hierbei der erstmalige Biathlon-Weltcup in Lenzerheide mit einer grossartigen Kulisse und Traumwetter an den Wochenend-Wettkämpfen.

Was hat euch die vergangene Saison gelehrt?

Reusser: Uns wurde einmal mehr vor Augen geführt, wie nah Sieg und Niederlage respektive Glück und Pech beieinander liegen. Ich denke da an die verschiedenen Rennabsagen und an die vielen, teils sehr schweren Stürze und gravierenden Verletzungen. Hinzu kommen Probleme und Diskussionen, die innerhalb des Schneesports hausgemacht sind – Stichworte diesbezüglich sind da der Rennkalender oder die Zentralvermarktung.

Züger: Wir haben aus Schweizer Sicht wiederum eine der sportlich erfolgreichsten Saisons hinter uns, im Alpin-Bereich haben wir uns im Vergleich zur bereits ausserordentlich starken Vorsaison noch einmal gesteigert. Und gleichwohl empfinde ich, dass über dem Winter respektive über dem Schneesport ein leichter Schatten liegt – dies aufgrund der Klima-Thematik und verschiedenen, von Wala eben angesprochenen Themen rund um die FIS. Die Herausforderungen, die wir in der Schweiz im Kleinen haben, sind global viel grösser. Dies spüre ich, wenn ich mit Leuten ausserhalb von Swiss-Ski, insbesondere auch mit solchen aus dem Ausland, Gespräche führe. Es gibt Medienberichterstattungen, die meisten aus dem Ausland, aber auch einzelne in der Schweiz, in welchen Untergangsszenarien für den Schneesport aufgezeichnet werden. Diese Diskrepanz gegenüber der hiesigen Begeisterung über die Schweizer Schneesport-Erfolge ist für mich schon frappant und bemerkenswert. Wir dürfen uns nicht blenden lassen. Ich denke, wir leben in der Schweiz aufgrund der Erfolge womöglich in einer Art Bubble. Wenn wir aber unseren Sport weltweit weiterentwickeln wollen, stehen wir vor grossen Herausforderungen, um ihn – über die Schweizer Grenzen hinaus – wieder in ein positiveres Licht zu rücken.

Wo seht ihr im Hinblick auf die kommende Saison den grössten Handlungsbedarf?

Züger: Wir müssen in den Diskussionen mit der FIS um die zentrale Vermarktung endlich einen Schritt weiterkommen. Diese Frage blockiert leider auch viele andere Themen, wenn es um die Weiterentwicklung unseres Sports geht. Wir haben da in den letzten Monaten sehr intensiv mit den anderen Skiverbänden zusammengearbeitet und hoffen nun, mit der FIS Lösungen zu finden.

Reusser: Die Herausforderungen sind stets vielschichtig. Es gibt Generationenwechsel und verletzte Athletinnen und Athleten, wodurch andere in eine neue Rolle hineinwachsen müssen. Wir wollen unsere elf Sportarten stets weiterentwickeln und nicht nur das aktuelle Leistungsniveau halten. Es gilt stets von Neuem, unseren rund 300 Athletinnen und Athleten und dem gesamten Betreuer-Stab die bestmöglichen Rahmenbedingungen bereitstellen zu können.

Züger: Mit den Erfolgen steigen auch die Ansprüche – unter anderem in Bezug auf die individuelle Betreuung. Die finanziellen Mittel hierfür müssen generiert werden, um konkurrenzfähig zu bleiben und uns weiterentwickeln zu können. Wichtig ist, dass man sich nicht im Hier und Jetzt, wo der Erfolg da ist, auf die Schultern klopft, sondern den Fokus bereits darauf legt, was in zehn Jahren kommt. In Erfolgsphasen werden am häufigsten Fehler begangen, das mussten wir in der Vergangenheit bei Swiss-Ski auch schon erfahren. Wenn du auf der Erfolgswelle surfst, darfst du gleichzeitig in der Nachwuchs- und Breitensportförderung keinen Millimeter nachlassen. Auch müssen wir bereit sein, in Digitalisierung und künftige Vermarktungspotenziale zu investieren, damit wir langfristig unsere hohen kommerziellen Erlöse sicherstellen oder eben noch weiter steigern können.

Wenn du auf der Erfolgswelle surfst, darfst du gleichzeitig in der Nachwuchs- und Breitensportförderung keinen Millimeter nachlassen.

Diego Züger, CEO Commercial

Nicht erst in zehn Jahren, sondern bereits im nächsten Winter stehen mit den Biathlon-Weltmeisterschaften in Lenzerheide sowie den Snowboard- und Ski-Freestyle-Weltmeisterschaften im Engadin gleich zweimal Welttitelkämpfe im eigenen Land auf dem Programm. Wie will Swiss-Ski bei diesen Schaufensteranlässen sportlich das Optimum herausholen?

Reusser: Es gilt, den Heimvorteil auszunutzen, indem wir versuchen, exklusive Trainings auf den WM-Anlagen durchzuführen, die jeweilige Schneebeschaffenheit genauestens zu kennen und in Absprache mit den lokalen Organisationskomitees die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Aussicht, vor Heim-Publikum an Weltmeisterschaften teilzunehmen, ist für die Athletinnen und Athleten etwas Einmaliges in ihrer Karriere. Dies gibt bereits im Frühjahr, wenn die Saisonvorbereitung startet, einen Extra-Motivationsschub. Wir sehen es jeweils bei den Heim-Weltcups: Unsere Sportlerinnen und Sportler werden von den Schweizer Fans getragen. Bei den Weltmeisterschaften in Lenzerheide und im Engadin wird die Unterstützung nochmals ungleich grösser sein.

Züger: Zu erwähnen gilt ausserdem, dass wir durch die Organisation dieser Weltmeisterschaften zusätzliche finanzielle Mittel auslösen wollen. Unsere vor ein paar Jahren verabschiedete WM-Strategie sieht Legacy-Projekte vor, von denen auch nachfolgende Generationen profitieren können. Natürlich wollen wir nächste Saison bei den beiden Titelkämpfen in Graubünden so viele Top-Klassierungen wie möglich erreichen, gleichzeitig aber auch in Bezug auf die Event-Organisation und das Fan-Erlebnis eine Top-Visitenkarte abgeben. Die Bilder, die von diesen Titelkämpfen in die Welt hinausgesendet werden, sollen unsere wunderbare Bergwelt und unsere Top-Anlagen ins beste Licht rücken. Auch wollen wir dadurch neue Zielgruppen erreichen und diese Fans an uns binden.

Reusser: Betonen möchte ich noch einmal, was Diego erwähnt hat: Die Legacy-Gelder im Zusammenhang mit den anstehenden Weltmeisterschaften fliessen insbesondere in den Nachwuchs. Sie sollen helfen, junge Athletinnen und Athleten – als Nachfolgerinnen und Nachfolger bei allfälligen Rücktritten von Top-Cracks – bestmöglich an die Weltspitze heranzuführen. Die positive Energie dieser Grossevents dient dazu, die Strukturen weiter zu verbessern.

Mit den Olympischen Winterspielen ist seit einigen Monaten auch der weltweit grösste Schneesport-Event ein Thema in der Schweiz. Wie hat sich Swiss-Ski bisher betreffend die Schweizer Olympia-Pläne eingebracht – und wie bringt sich Swiss-Ski derzeit beim Projekt «Switzerland 2038» ein?

Züger: Die vorhin erwähnte Grossevent-Strategie entstand vor dem Hintergrund, dass Olympia-Kandidaturen in der Schweiz in den vergangenen Jahren mehrfach gescheitert sind. Deshalb wollten wir in unseren Sportarten Weltmeisterschaften in die Schweiz holen, was uns – wie man heute sieht – sehr gut gelungen ist. Dass Olympische Winterspiele in der Schweiz nun wieder eine ernsthafte Option sind, ist für Swiss-Ski und für den gesamten Schweizer Sport sehr wichtig. Auch wenn es ein weiter Horizont ist: Das Projekt «Switzerland 2038» mit dem privilegierten Dialog mit dem IOC sehen wir als grosse Chance. Die grosse Zeitspanne bringt viel Positives mit sich, wenn es darum geht, Legacy-Projekte betreffend Infrastruktur und Nachwuchsförderung voranzutreiben. Auf dem Weg hin zu 2038 haben wir verschiedene Wintersport-Grossanlässe in der Schweiz. Es gilt, diese Events alle gut aufeinander abzustimmen und so das Bestmögliche für den Sport herauszuholen. Diese Chance gilt es, gemeinsam als Schweizer Sport, zu packen. Wenn wir der Welt zeigen können, wie man nachhaltige Olympische Spiele organisieren kann, dann wäre dies beste Werbung für den Sport, unsere Jugend und eine Visitenkarte für das ganze Land.

Reusser: Unsere Kompetenzen bei Swiss-Ski betreffend Event-Organisation und Infrastruktur zahlen komplett auf Olympia 2038 ein. Ebenso unser Bestreben, im Engadin die neu ins Leben gerufenen FIS Games auszutragen – mit Wettkämpfen in allen Sportarten des Ski- und Snowboard-Weltverbands FIS.

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis Ende Jahr eine Vision «Schneesport 2050» zu erarbeiten. Für uns ist wichtig, uns langfristig mit dem Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.

Diego Züger, CEO Commercial

Die zunehmend grösser werdende Herausforderung, aufgrund des Klimawandels Weltcup-Anlässe durchzuführen, habt ihr bereits angesprochen. Wie stellt sich Swiss-Ski darauf ein?

Züger: Zusammen mit dem Präsidium haben wir die aktuelle Diskussion zum Anlass genommen, uns vertieft Gedanken darüber zu machen, wohin sich der Schneesport langfristig entwickelt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis Ende Jahr eine Vision «Schneesport 2050» zu erarbeiten. Für uns ist wichtig, uns langfristig mit dem Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Die angesprochenen Weltcup-Events sind zentral, wenn es um die Durchführung unserer Sportarten geht. Entsprechend hoch ist ihr Stellenwert – und entsprechend wichtig ist es, sich Gedanken betreffend eine smarte Event-Planung zu machen, um mögliche Absagen zu minimieren. Wir müssen uns aber im Klaren sein: Es hat schon immer Absagen gegeben – und es wird leider auch immer mal wieder Absagen geben. Wir betreiben einen Outdoor-Sport. Auf der einen Seite gibt es deshalb hochklassige Events bei Kaiserwetter und vor einem einmaligen Bergpanorama, die – und da bin ich überzeugt – keine andere Sportart bieten kann. Andererseits, wenn das Wetter in die andere Richtung ausschlägt, ist die Gefahr einer Absage gross. Im Gegensatz zu anderen Sportverbänden gibt es bei uns diesen grossen Spannungsbogen.

Reusser: Es braucht die Zusammenarbeit der internationalen und nationalen Verbände sowie der lokalen Veranstalter. Die Rennen sollen dann stattfinden, wenn es für die jeweilige Region am meisten Sinn macht und wenn die grösste Durchführungschance besteht. Und sie sollen so geplant werden, dass die Wettkämpfe für die Athletinnen und Athleten betreffend die Belastung prästierbar sind. Der Weltcup muss als Event-Serie gesehen werden – und es sollte das Ziel sein, dass die Besten nicht freiwillig Rennen auslassen, sondern überall am Start sind.

Der Schneesport stand in den letzten Monaten verschiedentlich in der Kritik bezüglich mangelnder Nachhaltigkeit. Welche Anstrengungen unternimmt Swiss-Ski in diesem Bereich?

Züger: Swiss-Ski hat bereits vor einem Jahr eine Nachhaltigkeitsstrategie bis 2030 implementiert. Im Rahmen derer verfolgen wir verschiedene Ansätze, um den Schneesport nachhaltiger zu machen. Die Nachhaltigkeitsstrategie beinhaltet Ziele auf drei Ebenen: Swiss-Ski als Organisation, Swiss-Ski als (Co-)Organisator von Events im Schneesport sowie Swiss-Ski als Leader der Schneesport-Community. Auf Ebene der Events – vom Breitensportanlass bis zur Weltmeisterschaft – unterstützt Swiss-Ski die Veranstalter mit Tools, Knowhow und seinem Netzwerk, damit die Events nachhaltiger organisiert und durchführt werden können. In den zwei anderen Ebenen legen wir den Fokus auf die Themen Energie und Infrastruktur, Mobilität, Material, Gender Equality & Equity sowie Legacy. Ziele sind beispielsweise die Optimierung und Elektrifizierung der Fahrzeugflotte, die Steigerung der Präzision im Materialbereich durch Optimierung der Bestellmengen oder die Erhöhung des Frauenanteils in Funktionen im Schneesport. Als weitere Massnahme hat Swiss-Ski im Sommer 2022 gemeinsam mit seiner Nachhaltigkeitspartnerin BKW den Verein Snowstainability gegründet. Über den Verein werden Projekte in der Schweiz finanziell unterstützt, die zum Ziel haben, den Schneesport nachhaltiger zu machen. Zu nennen sind hier beispielsweise die LED-Beleuchtung der Skisprungschanze Einsiedeln oder das Solar-Starthaus beim Weltcup in Zermatt.

Reusser: Um die Arbeit der Organisationskomitees zu erleichtern, unterstützt Snowstainability zudem die Entwicklung eines Leitfadens für nachhaltige Schneesportevents. Wir sind diesbezüglich mit den Veranstaltern in engem Austausch. Beim Biathlon-Weltcup in Lenzerheide kam zum Beispiel erstmals ein neues An- und Abreise-Konzept zur Anwendung, bei dem das ÖV-Ticket im Event-Ticket inkludiert war. Unser übergeordnetes Ziel ist es, dass der Schneesport für die künftigen Generationen von Athletinnen und Athleten sichergestellt und von ihnen ausgeübt werden kann. Deshalb sind wir nun daran – zusammen mit allen hierfür relevanten Stakeholdern – die langfristige Vision «Schneesport 2050» zu entwickeln. Dies auf allen Dimensionen der Nachhaltigkeit, also auf der ökologischen, ökonomischen und auf der sozialen.

Im Zuge der Nachhaltigkeitsbestrebungen wurde auf die Saison 2023/24 ein Verbot von Fluorwachsen eingeführt. Wie zufrieden seid ihr mit der Umsetzung seitens Swiss-Ski?

Reusser: Wir haben bereits vor vier Jahren in die Non-Fluor-Strategie investiert, weil wir wussten, dass ein allfälliges Verbot von Fluorwachsen ein Game Changer wird. Zusammen mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) haben wir entsprechende Projekte lanciert und intensiv an Non-Fluor-Lösungen gearbeitet. Wir sind sehr zufrieden, wie wir im abgelaufenen Weltcup-Winter mit unseren eigenen, selbst entwickelten Produkten konkurrenzfähig sein konnten. Dies zeigt die hohe Verwendung unserer eigenen Produkte auf allen Wettkampfstufen. Unsere rund 60 Serviceleute haben im Schnitt bei 90 Prozent aller Wettkämpfe unsere eigenen Produkte verwendet.

Ist geplant, die selbst entwickelten Non-Fluor-Wachse künftig auch für den Breitensport zur Verfügung zu stellen?

Reusser: Nachdem klar war, dass die Produkte auf höchster Stufe sehr gut funktionieren, resultierte rasch eine hohe Nachfrage aus dem Nachwuchs und Breitensport. Entsprechend haben wir uns dazu entschieden, das Prototyping in eine eigene Wachsmarke zu überführen und diese der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Ab Sommer 2024 können die Wachse mit dem Namen Fzero (fzero.ch) erworben werden, einerseits bei ausgewählten Fachhändlern, andererseits über den eigenen E-Shop von Swiss-Ski.

Züger: All dies passt perfekt in unsere Strategie, neue Erlösquellen zu generieren, um den Sport auf allen Ebenen weiterentwickeln zu können. Jeder Schweizer Schneesportfan hat die Möglichkeit, für den Eigenbedarf ein Wachsprodukt von uns zu beziehen, das auch von unseren Athletinnen und Athleten auf höchster Stufe verwendet wird.

Wir wollen den Schneesport gemeinsam mit unserer Basis weiterentwickeln, hierfür muss man ihr Gehör verschaffen.

Walter Reusser, CEO Sport

Seit einem Jahr fungiert ihr in der Co-CEO-Rolle. In welcher Hinsicht hat sich die Doppelspitze bewährt, die Swiss-Ski auf die Saison 2023/24 etabliert hat – und wo gibt es noch Potenzial zur Verbesserung?

Reusser: Die Herausforderungen bei Swiss-Ski sind extrem breit gegliedert. Es ist vor allem die Komplexität der Themen, die zur Implementierung einer Doppelspitze führte. Als Verband wollen wir in jedem Bereich zur Weltspitze gehören, unsere Aussenwahrnehmung ist sehr hoch. Der Verband als Ganzer ist einfacher führbar, wenn man sich auch auf der obersten Führungsebene auf gewisse Bereiche fokussieren kann. Uns ist es sehr gut gelungen, den Sport von anderen schwierigen Themen zu trennen. Ich erachte dies als grossen Mehrwert, denn unsere Athletinnen und Athleten können sich so auf den Sport fokussieren.

Züger: Die Vielfalt und Komplexität der uns tangierenden Themen, verbunden mit einer hohen Aussenwirkung, machen es einfacher, das Ganze auf vier Schultern zu verteilen. Die Vorteile, die Wala erwähnt hat, kann ich nur unterstreichen.

Was sind die grössten Herausforderungen, die die neue Co-CEO-Rolle mit sich bringt?

Züger: Das Wichtigste in Bezug auf unsere bisherige Zusammenarbeit als Co-CEO ist aus meiner Sicht die hohe Lernkurve und das grosse Vertrauen, das uns beiden von Seiten des Präsidiums, aber auch von den Mitarbeitenden entgegengebracht wird. Auch wenn wir es mal nicht schaffen, uns zu einem Thema ad hoc auszutauschen, weiss jeder von uns beiden, dass der andere bei Entscheiden beide Bereiche – Sport und Commercial – im Blick hat. Wala und ich kennen uns schon sehr lange und besitzen ein hohes Grundvertrauen ineinander. Das ist eine Grundvoraussetzung, ansonsten würde die Zusammenarbeit nicht so gut funktionieren. Eine Doppelspitze bedingte viele Abstimmungen. Am wichtigsten ist jedoch das starke Team, welches wir bei Swiss-Ski haben. Jede und jeder einzelne dieser Mitarbeitenden trägt ihren respektive seinen Teil zum Erfolg bei. In solch einem spannenden Umfeld mit so vielen motivierten Menschen zu arbeiten, macht grossen Spass.

Reusser: Ergänzend darf ich sagen, dass wir beide das gleiche Mindset vertreten im Sinne von «best argument counts». Es geht darum, gemeinsam die beste Lösung für Swiss-Ski zu finden. Eine wichtige Rolle in der Verbandsleitung nimmt unsere COO und CFO Claudia Lämmli ein, die uns beiden im Bereich Services den Rücken freihält. Ebenso dürfen wir auf unserem Weg auf die Unterstützung unserer Mitarbeitenden zählen, die entweder draussen im Schnee oder an unserem neuen Verbandssitz in Worblaufen ihr grosses Knowhow zugunsten des Schweizer Schneesports einbringen – stets verbunden mit Leidenschaft und grossem Engagement.

In welchen Bereichen könnt ihr voneinander profitieren?

Reusser: Wir kennen uns bereits seit 20 Jahren. Auch in der Zeit, als wir nicht zusammengearbeitet haben, haben wir uns nie aus den Augen verloren. Es ist dabei auch eine Freundschaft entstanden, wodurch die Zusammenarbeit auf einem grossen gegenseitigen Vertrauen beruht. Wir kennen die jeweiligen Stärken und Schwächen des anderen und wissen, wo wir uns gegenseitig unterstützen können.

Welche Stärken schätzt ihr denn vom jeweils anderen?

Reusser: Beeindruckend an Diego sind für mich seine schnelle Auffassungsgabe und hohe Leistungsbereitschaft. Er kennt aus seiner Aktivzeit auch den Leistungssport bestens und bringt insgesamt ein enorm hohes Knowhow in die Verbandstätigkeit rein – dies immer gepaart mit hoher Sozialkompetenz im Umgang mit Mitarbeitenden.

Züger: An Wala schätze ich seinen grossen und mit sportspezifischem Wissen prall gefüllten Rucksack. Er hat den Schneesport wie kaum ein anderer von verschiedensten Seiten kennengelernt. Ich mag seine Klarheit und Direktheit, mir imponiert sein vernetztes Denken. Ich finde es toll, wie er es schafft, im Sport einerseits die Rolle als Chef auszuüben, gleichzeitig aber auch auf kollegialer Basis Unterstützung zu geben.

Die strukturellen Anpassungen bei Swiss-Ski betrafen auch den Breitensport, der verbandsintern weiter gestärkt werden soll. Wie soll das konkret geschehen?

Reusser: Der Breitensport ist die Basis unserer gesamten Struktur – sei es über die Regionalverbände und Skiclubs, aber auch über die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Sie sind es, die die Durchführung von Wettkämpfen oder die Trainings von Kindern erst ermöglichen. Wichtig ist, dass alle innerhalb unseres Schneesport-Universums genau wissen, welches ihre Rolle ist. Die Mitglieder gilt es zu begeistern und an den Verband zu binden – und zwar nicht nur durch die sportlichen Topleistungen unserer Aushängeschilder, sondern auch über den direkten Austausch und die Zusammenarbeit mit Swiss-Ski. Wir wollen den Schneesport gemeinsam mit unserer Basis weiterentwickeln, hierfür muss man ihr Gehör verschaffen.

Züger: Es ist mit Blick auf die langfristige Entwicklung des Schneesports unabdingbar, ein grosses Augenmerk auf den Breitensport zu legen. Es gilt, die Balance zu schaffen zwischen Kommerzialisierung respektive Professionalisierung einerseits, um für den Sport ein gesundes finanzielles Fundament zu legen, und unserer grossen Basis andererseits, die geprägt ist von Freiwilligenarbeit und Herzblut für den Schneesport. Das Ganze muss in einem Gleichgewicht sein. Die Bedürfnisse unserer Regionalverbände, Skiclubs und Mitglieder müssen stets in unsere tägliche Arbeit einfliessen. Gleichzeitig verfügen wir glücklicherweise über eine sehr stabile Partnerstruktur, mit vielen Sponsoren haben wir langfristige Partnerschaften vereinbaren können. Dank der Unterstützung unseres Main Partners Sunrise ist es uns beispielsweise möglich, im digitalen Bereich neue Business-Felder zu erschliessen, um uns als Verband gesamthaft weiterzuentwickeln. Dies kommt letztlich wieder den Skiclubs und Mitgliedern zugute.

Zum Abschluss ein Blick in die Glaskugel: Wo steht Swiss-Ski als Verband in zehn Jahren?

Reusser: Bis dann haben wir – im Minimum – drei Heim-Weltmeisterschaften hinter uns. Und hoffentlich stehen dann die Olympischen Winterspiele in der Schweiz vor der Türe. Wir müssen es auch künftig schaffen, die mit dem Sport verbundenen Werte an die künftigen Generationen weiterzugeben. Wir wollen technisch auf höchstem Niveau agieren, eine Vorreiterrolle einnehmen und den Athletinnen und Athleten eine Basis bieten, damit sie von ihrem Sport leben können. Der Schneesport muss in seiner jahrzehntelangen Tradition und Wichtigkeit in unserem Land erhalten bleiben und – wo nötig – modernisiert werden.

Züger: Genau, denn der Schneesport ist ein Schweizer Kulturgut. Zu ihm muss Sorge getragen werden. Um unseren Sport erfolgreich in die Zukunft zu führen, ist es meiner Meinung nach wichtig, dass das Produkt Schneesport sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene weiterzuentwickeln. Entscheidend dabei ist, dass auf dieser Reise die Schneesport-Basis mitgenommen wird. Möglichst viele Menschen aller Altersstufen und Gesellschaftsschichten sollen auch in zehn Jahren mit dem Schneesport-Virus infiziert werden und auf irgendeine Art und Weise mit unserem schönen Sport und mit Swiss-Ski in Berührung kommen.