«Die Erwartungen zu erfüllen, wird nicht einfacher»

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Dario Cologna steht gegen Ende seiner Karriere mit den nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Oberstdorf 2021 und den Olympischen Spielen in Peking 2022 noch einmal vor zwei Wintern mit Grossanlässen. Mit Kein Einaste als neuem Trainer versucht er, hierfür nochmals neue Impulse zu setzen, um sich auch mit 34 Jahren weiterzuentwickeln. Im Interview spricht Cologna über einen ereignisreichen Sommer, Ziele für die kommenden Saisons und seinen Hochzeitstanz.

Dario, du blickst auf einen Sommer mit vielen externen Einflüssen (Hochzeit, Trainerwechsel, Corona-Krise etc.) zurück. Wie gelingt es dir, dass du trotzdem den Fokus auf das Training halten kannst?

Es war sicher ein spezieller Sommer, insbesondere wegen der Corona-Situation. Wir Langläufer konnten die letzte Saison einigermassen gut abschliessen, aber natürlich wird es auch Auswirkungen auf den kommenden Winter geben. Trotzdem ist es so, dass ich Ziele vor Augen habe - was aus meiner Sicht in dieser Situation sehr wichtig ist. Entsprechend bin ich die Trainings auch angegangen. Hinsichtlich der Hochzeit hatte ich grosse Unterstützung von meiner Frau Laura, und ich konnte mich so gut auf die sportlichen Aufgaben konzentrieren.

Waren diese Themen auch in Trainingsgedanken präsent? Gerade bei längeren Einheiten zum Beispiel – oder konntest du dort komplett abschalten?

Ich kann im Training grundsätzlich relativ gut abschalten. Klar unterhält man sich auch mit Teamkollegen über sehr präsente Themen wie Corona. Aus meiner Sicht bringt es aber nichts, wenn ich mich im Training ständig frage, wie denn die kommende Saison überhaupt aussehen wird. Ich trainiere mit der Einstellung, dass Rennen stattfinden werden. Nur so kann man sich auch richtig vorbereiten. Rücken Gedanken wie potenzielle Rennabsagen in den Vordergrund, läuft man Gefahr, dass der Einsatz nicht mehr zu 100 Prozent stimmt.
 

Aufgrund der Corona-Krise sind in vielen Sportarten die Athletinnen und Athleten in ihrem Trainingsbetrieb eingeschränkt. Inwiefern hat die Corona-Krise auch die Trainingsmöglichkeiten von dir als Langläufer beeinflusst?

Der Lockdown war kurz nach unserer Wettkampfsaison. In dieser Trainingsphase absolvieren wir meistens lange lockere Einheiten, und ab einem gewissen Zeitpunkt steht die Regeneration im Vordergrund. So habe ich vor allem allein trainiert, die geplanten Einheiten wurden nicht stark beeinträchtigt. Einschränkungen gab es im kleineren Rahmen aufgrund von Personenbeschränkungen im Kraftraum, aber auch da haben wir eigentlich immer Lösungen gefunden. Ab dem Zeitpunkt, als gemeinsame Trainings wieder erlaubt waren, trainierten wir unter unserem Schutzkonzept, welches unter anderem kleine Trainingsgruppen und Maskenpflicht im Bus beinhaltet.

Während des Lockdowns haben wir zusammen mit viel Elan unseren Hochzeitstanz einstudiert.


Wie hast du den Lockdown allgemein erlebt? Hast du vielleicht sogar neue Talente entdeckt?

Wie bei vielen ist das Kochen auch bei uns in den Vordergrund gerückt – und man hat auch mal was Neues ausprobiert. Dadurch, dass wir möglichst wenig zum Einkaufen gegangen sind, benötigte die Planung jeweils etwas mehr Zeit. Daneben hatte ich ein weiteres gemeinsames Projekt mit Laura. Während des Lockdowns haben wir zusammen mit viel Elan unseren Hochzeitstanz einstudiert. Unter Anleitung von Youtube-Tutorials haben wir ziemlich viel Zeit in den Tanz investiert.
 

Viele Trainer vertreten die Ansicht, dass ein Wettkampf die beste intensive Einheit ist. Du hast in den letzten Jahren regelmässig an Sommerwettkämpfen teilgenommen. Viele davon konntest du dieses Jahr aufgrund von Absagen nicht absolvieren (GP Bern, Rollskirennen Norwegen). Konntest du dir diese «Rennhärte» auf andere Weise holen?

Ich bin ein Wettkampftyp und habe diese Rennvergleiche gerne während des Sommertrainings eingebaut. Auch wenn dabei das Resultat oft zweitrangig ist, versuche ich, mir dabei diese angesprochene Härte zu holen, da man im Wettkampf oft doch noch ein paar Prozent mehr rausholen kann. Ich denke, wir haben diesen Sommer innerhalb des Teams gute Intervalle und Testwettkämpfe absolviert, welche dies kompensieren können. Zudem konnte ich mit dem Davoser Seelauf und dem Nordic Weekend in Andermatt trotzdem einige Wettkämpfe in das Trainingsprogramm aufnehmen.
 

Welche Ziele und Erwartungen an dich selbst hast du für den kommenden Winter?

Der Fokus im nächsten Winter liegt klar auf den Weltmeisterschaften. Mein Ziel wird es sein, dort um die Medaillen mitzukämpfen. Auf Weltcup-Stufe möchte ich ebenfalls einige gute Resultate erreichen. Es wird aber sicher so sein, dass ich mit Ausblick auf das Hauptziel WM einige Weltcup-Rennen auslassen werde.

Natürlich kann man nicht alles neu erfinden, aber es sind doch neue Trainingsformen, auch von Intervallen und Krafttrainings, welche für mich als Athlet bemerkbar sind.


Seit diesem Frühling trainierst du mit Kein Einaste unter einem neuen Trainer. Ein neuer Trainer bringt immer auch eine neue Trainingsphilosophie mit sich. Wo siehst du die grössten Änderungen im Vergleich zum letzten Jahr und wie kommst du mit diesen zurecht?

Nach sechs Jahren unter Ivan Hudac war es ein Wunsch von mir, im Training neue Impulse zu setzen. Diese neuen Inputs einzubauen, ist mit einem neuen Trainer oft einfacher. Unter Kein Einaste gibt es vor allem Veränderungen im Trainingsrhythmus. Wir trainieren drei Wochen hart und eine Woche locker. Weiter ist das Training immer wieder durch sehr lange Einheiten (vier bis fünf Stunden) gespickt, was relativ neu ist. Natürlich kann man nicht alles neu erfinden, aber es sind doch neue Trainingsformen, auch von Intervallen und Krafttrainings, welche für mich als Athlet bemerkbar sind. Am Anfang braucht es jeweils etwas Zeit, bis man auf die Veränderungen richtig reagiert. Ich habe aber das Gefühl, dass es bisher sehr gut passt.

Vier olympische Goldmedaillen und drei WM-Medaillen (1x Gold, 2x Silber). Der Name Dario Cologna steht seit Jahren für Medaillen und Erfolge. Im letzten Winter, welcher resultatmässig durchzogen war, wurdest du immer wieder laut kritisiert, und es wurde hinterfragt, ob du noch Podestplätze erlaufen kannst. Wie gehst du mit Kritik von Aussenstehenden um? War das auch für einen erfahrenen Athleten wie dich ein Lernprozess?

Nach den ersten Siegen an der Tour de Ski und bei Olympia stand ich schlagartig im Rampenlicht. Die Erfolge waren in der Anfangsphase immer vorhanden, und ich kann wahrscheinlich behaupten, dass ich in den letzten 10 bis 15 Jahren der erfolgreichste Schweizer Wintersportler war. Natürlich werde ich an diesen Erfolgen gemessen, von mir werden Podeste und Siege erwartet. Diese Erwartungen zu erfüllen, wird nicht einfacher. Man muss sich immer wieder neu beweisen, und die jungen Athleten rücken nach. Wenn ich auf das Teilnehmerfeld blicke, sind viele Athleten aus meiner Generation nicht mehr da. Nichtdestotrotz bin ich immer noch mit Motivation dabei und überzeugt, dass ich noch schnelle Rennen laufen kann. Logisch regt man sich manchmal etwas über die Kritik auf. Ich finde aber die Äusserung von Kritik ist berechtigt und gehört dazu, solange sie respektvoll und objektiv ist.

Auf der Zielgerade bin ich nicht mehr der Schnellste, aber ich denke, dass ich immer noch ein guter Finisher bin und mir die letzten 3 km liegen.


Du gehörst auf den letzten Metern nicht mehr zu den schnellsten Athleten im Feld. Viele Massenstartrennen werden aber auf dem letzten Kilometer entschieden. Wird es so sein, dass du im Einzelstart in Zukunft grössere Chancen auf Top-Resultate haben wirst? Oder wie muss ein Massenstartrennen verlaufen, damit du am Schluss ganz vorne dabei sein kannst?

Ich bin nicht mehr so endschnell wie vor fünf oder zehn Jahren. Ich denke, diese Entwicklung ist für einen Sportler normal. Dies ist auch ein Grund, wieso Leute wie Petter Northug, Marcus Hellner oder ich schon in jungen Jahren erfolgreich waren. Dannzumal waren auch wir auf den letzten Metern in Massenstartrennen schneller als die älteren Athleten. Nun sind mit Johannes Klaebo und Alexander Bolshunov Leute hier, die ebenfalls sehr endschnell sind. Aus meiner Perspektive sind nun die längeren Distanzen von 15 bis 50 km interessant. Der Einzelstart kommt mir sicher entgegen. Ich denke aber trotzdem, dass ich an einem guten Tag auch im Massenstart im Kampf um die besten Plätze eine Rolle spielen kann. Optimalerweise wäre dies ein schnelles Rennen, in welchem die Selektion vor den letzten Metern stattfindet. Auf der Zielgerade bin ich nicht mehr der Schnellste, aber ich denke, dass ich immer noch ein guter Finisher bin und mir die letzten 3 km liegen. Wichtig ist einfach, dass die Form stimmt, dann ist viel möglich.

Gegen Ende deiner erfolgreichen Karriere stehst du vor zwei Saisons mit Grossanlässen (Nordische Ski-Weltmeisterschaften Oberstdorf 2021, Olympische Spiele Peking 2022). Du bist bekannt dafür, dass du gerade an Grossanlässen immer wieder deine Topform erreichen kannst. Wie schätzt du die Chance ein, dein bereits sehr grosses Palmarès in den kommenden Wintern noch einmal mit Medaillen zu erweitern?

Ich sage immer: Die Chance, keine Medaille zu gewinnen, ist grösser als eine zu gewinnen…(lacht). Trotzdem ist es mir bereits mehrmals gelungen. Es wird sicher schwieriger, aber dies war 2018 an Olympia ähnlich. Ich habe damals bewiesen, dass ich es noch kann. Solange ich motiviert bin, den Fokus halte und alles investiere, sehe ich Möglichkeiten. Dies ist auch der Grund, weshalb ich noch dabei bin. Ich laufe nicht, um einfach nur dabei zu sein, sonst könnte ich auch aufhören. Ich möchte weiterhin erfolgreich sein. Ich bin überzeugt: Wenn ich meine Bestform erreiche und am Tag X alles zusammenpasst, kann ich immer noch Medaillen gewinnen.

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Interview aus dem aktuellen Snowactive – dem Verbandsmagazin von Swiss-Ski