Verliebt wie am ersten Tag

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Pepe Regazzi (rechts) mit Jan Scherrer anlässlich der Weltmeisterschaften in Aspen.

Pepe Regazzi ist seit 2011 Cheftrainer der Freestyle-Snowboarder von Swiss-Ski und mit 52 Jahren unverändert fasziniert von seiner Sportart. Nun bereitet der Tessiner Olympia 2022 vor.

Manchmal spürt er die Anstrengungen, die mit dem Reisen verbunden sind. «Heavy» könne es zuweilen sein, und darum hat sich Pepe Regazzi auch schon überlegt, wie lange er das noch machen möchte. Aber die Antwort auf diese Frage hat sich bislang stets automatisch ergeben. Der Tessiner liebt das Snowboarden, «so innig wie am ersten Tag», präzisiert er. Und so fordernd die jungen Menschen sind, mit denen er zu tun hat, so inspirierend sind sie für ihn auch: «Meine Motivation, gemeinsam mit ihnen hohe Ziele zu erreichen, ist unverändert riesig.»

Meine Motivation, gemeinsam mit ihnen hohe Ziele zu erreichen, ist unverändert riesig.

Pepe Regazzi

Seine Rolle ist nicht irgendeine, er ist Cheftrainer der Freestyle-Snowboarder, aber der 52-Jährige war noch nie ein Freund von strikten Hierarchien – und er wird es auch nicht. Er sagt: «Für mich stehen die Athleten im Zentrum. Alle rundherum sind da, um zu helfen und einen Beitrag zu leisten, damit im Wettkampf möglichst gute Resultate erzielt werden.»

Pepe Regazzi. Pietro heisst er mit richtigem Vornamen eigentlich, aber wer «Pietro» ruft, muss nicht erwarten, dass er reagiert, so ungewohnt ist das für ihn. Die Eltern nannten ihren Buben früh schon «Pepe», und wo immer er auftauchte, was immer er machte: Er blieb der «Pepe». Mit 17 fand er zum Snowboard, an seinem Hausberg Monte Tamaro wagte sich der junge Mann aus Vira-Gambarogno erstmals auf ein Brett – und kam von dieser Leidenschaft nicht mehr los.

Snowboardlehrer im Engadin

Regazzi absolvierte eine Lehre als Elektroniker, begann ein Ingenieurstudium in Biel, merkte aber bald: «Das ist nicht mein Weg.» Er brach es ab und zog Ende der Achtzigerjahre nach St. Moritz mit der Absicht, eine Saison lang im Engadin Snowboardunterricht zu geben. Aus einer Saison wurden schliesslich 15 Jahre. Regazzi brachte vielen Privatkunden einen Sport näher, der damals noch nicht weit verbreitet war.

Er lehrte nicht nur, sondern fuhr auch Rennen, schaffte es in den Weltcup und investierte daneben viel Zeit in die Trainerausbildung. Im Tessin gründete er um die Jahrtausendwende das erste Freestyle-Team, engagierte sich beim Regionalverband und wurde bei Swiss-Ski 2005/06 Assistent von Marco Bruni. 2011 wurde er zum Chef befördert und erlebte in dieser Funktion 2014 an den Olympischen Spielen von Sotschi einen triumphalen Moment: Iouri Podladtchikov holte Gold in der Halfpipe.

Natürlich war es ein prägender Tag auch in der Karriere von Pepe Regazzi. Aber er schaute umgehend voraus und fragte sich: Wie können wir das Niveau von jedem einzelnen weiter anheben? Welche Massnahmen sind nötig? Mit der Medaille war für ihn ein Etappenziel erreicht, aber nicht das Rennen beendet: «Es geht immer weiter. Aber ich sehe hinter jedem Athleten nicht nur einen Leistungssportler, sondern stets auch den Menschen, mit dem ich mich auch abseits des Trainings oder Wettkampfs auseinandersetze.»

Ich sehe hinter jedem Athleten nicht nur einen Leistungssportler, sondern stets auch den Menschen, mit dem ich mich auch abseits des Trainings oder Wettkampfs auseinandersetze.

 

Kochen mit den Athleten

Regazzi trägt als Chef die Verantwortung für die Planung, das Budget, die verschiedenen Trainer – und kümmert sich aktiv um die Sparte Halfpipe. Wenn er mit dem Team unterwegs ist, legt er Wert auf das Zusammenleben. Darum zieht er es vor, Wohnungen zu mieten statt Hotelzimmer, weil man sich dadurch besser kennenlernt. «Unsere Sportart ist sehr komplex», sagt Regazzi, «Physis, Technik und Akrobatik sind elementare Voraussetzungen. Aber der letztlich ausschlaggebende Punkt ist die mentale Verfassung. Je besser ich weiss, wie der Athlet funktioniert, desto eher kann ich Einfluss nehmen.»

Unsere Sportart ist sehr komplex. Physis, Technik und Akrobatik sind elementare Voraussetzungen. Aber der letztlich ausschlaggebende Punkt ist die mentale Verfassung. 

 

Regazzi betont die Bedeutung des gegen seitigen Vertrauens: «Das kann man am effizientesten aufbauen, indem man den intensiven Austausch pflegt und Dinge macht, die nicht unmittelbar mit dem Sport zu tun haben.» Zum Beispiel: gemeinsam kochen und dabei das Bewusstsein schüren, auf gesunde Ernährung zu achten. Für Essen und heimische Tradition interessiert sich Regazzi seit je: Er hat schon zwei Bücher mit Kochrezepten und kulinarischen Geschichten aus dem Tessin verfasst. Und wenn es die Zeit erlaubt, hält er sich gerne auf dem Lago Maggiore auf. Als Kind verbrachte er mit seinem Grossvater, einem Fischer, Stunden auf dem See, er rief später die erste Wakeboardschule im Tessin ins Leben – und einen Campingplatz führte er auch einmal.

Das grosse Ziel: Olympia 2022

Hinter Regazzi liegt nun ein Winter, der Corona-bedingt auch für die Snowboarder speziell war. Wettkämpfe fanden nur wenige statt, «dafür konnten wir intensiv trainieren», sagt Regazzi. Die Bilanz fällt durchzogen aus. Im Halfpipe-Bereich sorgte Jan Scherrer mit Bronze an der WM in Aspen für das überragende Resultat. Bei den Slopestylern hingegen lief, auch wegen Verletzungen und Corona, vieles schief. «Für sie war der Winter sehr bitter», sagt Regazzi.

Aber Zweifel befallen ihn deswegen nicht. Er denkt an die kommende Saison mit dem Höhepunkt Olympische Spiele in Peking. «Darauf richten wir unsere Planung aus», sagt er, «wir versuchen, Details zu verbessern, zu ‹schrüübele›, wo es geht. Damit wir am Tag X die optimale Leistung abrufen können.

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