«Wir wollen die Ski-Familie enger zusammenbringen»

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Im letzten Frühling hat Swiss-Ski eine neue Alpin-Nachwuchsstrategie angekündigt. Die Arbeit daran läuft seit über einem Jahr. Hauptziel von Seite Swiss-Ski? Die Schweiz soll weiterhin Ski-Nation #1 bleiben.

Ende Saison 2019/20 ging ein grosser nationaler Traum in Erfüllung. Die Schweiz gewann die Nationenwertung im Alpin-Weltcup. Inspiriert dadurch begann Swiss-Ski, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Wie können wir gewährleisten, dass die Schweiz weiterhin an der Spitze bei den Alpinen bleibt? Die Antwort klingt simpel: Die ganze Alpin-Nachwuchsstruktur soll optimiert werden. Zusammengefasst stützt sich diese neue Strategie auf vier Hauptziele: Das Swiss-Ski C-Kader soll erweitert und die nationalen Leistungszentren (NLZ) unterstützt werden – und auf Regionalverbandsstufe liegt der Fokus auf dem Ausbau der Juniorenkader sowie der Stärkung der U16-Stufe.

Der Prozess hinter der neuen Nachwuchsstrategie hat bereits vor mehr als einem Jahr begonnen. Als einer der Hauptverantwortlichen hatte Alpin-Direktor Walter Reusser von Anfang an massgeblichen Anteil. «Bereits als ich vor zwei Jahren den Job bei Swiss-Ski übernommen hatte, versuchte ich zu verstehen, wie die bisherige Struktur aufgebaut war.» Letztes Jahr im Herbst fiel der offizielle Startschuss, als die Alpin-Verantwortlichen der Regionalverbände nach Bern eingeladen wurden. «In diesem ersten Workshop wollten wir das ganze Vorgehen in den unterschiedlichen Regionalverbänden untersuchen, vergleichen und vor allem verstehen. Dank dieser ersten Datenanalyse konnten Berührungspunkte und Baustellen lokalisiert werden», so Reusser. «Danach wurde dem Swiss-Ski Präsidium im November 2020 ein erstes Fazit vorgestellt: Besonders auf den Ebenen U16, NLZ und C-Kader herrscht Handlungsbedarf.» Basierend auf dieser Analyse und nach über 100 Manntagen wurde die neue Nachwuchsstrategie ausgearbeitet, finalisiert und schliesslich im Frühling 2021 abgesegnet.

Pyramide ist out, Säulen sind in

Bisher war die Kaderstruktur nach einem Pyramidenprinzip aufgebaut: Das heisst: Je weiter nach oben, desto weniger Athletinnen und Athleten sind im Kader. In der Realität glich die Struktur jedoch eher einer Form mit mehreren Flaschenhälsen (besonders im C-Kader), wo zu viele Athletinnen und Athleten aufgehalten wurden. Es gab keine Durchlässigkeit, sondern harte Schnitte zwischen den Stufen. Diesem Dorn im Auge will Swiss-Ski durch eine Säulenstruktur Abhilfe schaffen. Die Athletinnen und Athleten sollen früher auf die drei Kerndisziplinen aufgeteilt werden: Speed, Riesenslalom und Slalom. Swiss-Ski sagt selbst, dass so die Sportlerinnen und Sportler wie in einem Lift bedürfnisgerecht die Disziplinensäule hoch- und runterwechseln können. Athletinnen und Athleten sollen in Zukunft entsprechend ihren Fähigkeiten und weniger nach Alter selektioniert werden. Dies bedeutet, dass sie zum Beispiel eine längere Zeit auf derselben Stufe bleiben können. Hauptziel von Swiss-Ski ist es, den Bedürfnissen der Athletinnen und Athleten gerecht zu werden.

Auf Stufe der NLZ besteht der Anspruch eines qualitativen Ausbaus, indem weiteres Personal angeheuert wird. Dies nicht zuletzt durch die neu geschaffene Stelle des Leiters U16 für die Interregionen West, Mitte und Ost. In jeder Interregion wird eine neue Koordinationsstelle geschaffen, die sich um die intraregionale Koordination der U16-Stufe kümmert und so auch die NLZ-Führung entlastet. Der Leiter U16 ist dem jeweiligen NLZ angegliedert, arbeitet jedoch insbesondere mit den Regionalverbänden zusammen. Zu dessen Aufgaben gehört die sportliche Koordination der Regionalverbände innerhalb der Interregion auf der Stufe U16 und jünger. Der Leiter U16 bildet die Schnittstelle zwischen NLZ, Regionalverband, RLZ und den Schulen in der jeweiligen Interregion. Ausserdem soll er mithelfen, den Athletinnen und Athleten den Übertritt von der U16- zur Juniorenstufe zu erleichtern – dies unter anderem durch die Organisation von interregionalen und nationalen Zusammenzügen.

Damit die Besten der Besten später mit der Weltelite mithalten können, müssen sie früh genug zusammengebracht werden.

Walter Reusser, Alpin-Direktor von Swiss-Ski

Damm gebrochen

Eine der grössten Schwierigkeiten, als es um die Etablierung dieser neuen Nachwuchsstrategie ging, war die enorme Heterogenität der einzelnen Regionen und Regionalverbänden. Es war nicht sehr überraschend, dass zu Beginn die Reaktionen auf die neue Strategie verhalten ausfielen. «Zuerst war da nicht viel Verständnis vorhanden», so Walter Reusser. «Viele haben sich gefragt, was denn bei ihnen nicht stimmt.» Erst mit der Zeit sei der Damm gebrochen und die Leute hätten begonnen, über die eigenen Strukturen nachzudenken. «Jetzt können wir zusammenarbeiten und von einem engeren interregionalen Austausch profitieren. Dass nun daraus Resultate wie die U16-Zusammenzüge entstehen, hilft den Leuten zu vermitteln, dass es funktioniert, dass etwas geschieht.»

Die erwähnten nationalen Zusammenzüge für die besten U16-Athletinnen und -Athleten der Schweiz haben erstmals im vergangenen August, September und Oktober in Zermatt stattgefunden. Die besten Athletinnen und Athleten des ersten und zweiten Zusammenzugs durften anschliessend am dritten Kurs teilnehmen. Das Feedback der Teilnehmer ist gemäss Walter Reusser sehr positiv ausgefallen. Auf die Frage, ob August denn nicht zu früh sei, um mit so jungen Sportlerinnen und Sportlern auf den Schnee zu gehen, reagiert der Alpin-Direktor gelassen: «Man muss zwischen Breiten- und Spitzenförderung unterscheiden. Damit die Besten der Besten später mit der Weltelite mithalten können, müssen sie früh genug zusammengebracht werden.» Swiss-Ski möchte hier also eine Möglichkeit bieten, eine nationale Vergleichbarkeit zu schaffen, und eine Nähe zu den Athletinnen und Athleten sowie zu deren Eltern aufbauen. «Wir wollen die Ski-Familie enger zusammenbringen und Synergien nutzen», so Reusser.
 

Anmerkung: Der vollständige Text ist in der Dezember-Ausgabe des Mitgliedermagazins des Zentralschweizer Schneesport Verbandes (ZSSV), «Snowkräck», erschienen. Informationen zum «Snowkräck»-Abonnement: www.zssv.ch/snowkraeck