«Die Medaillen hängen bei mir – aber sie gehören dem ganzen Team»

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Harald Deubert/foto-deubert.de

Amy Baserga schrieb in Obertilliach in Tirol Schweizer Biathlon Geschichte. Die 20-jährige Schwyzerin gewann als erste Biathletin von Swiss-Ski WM-Gold auf der höchsten Nachwuchsstufe – und dies gleich doppelt. Am Dienstag triumphierte sie ohne Schiessfehler im Sprint, tags darauf siegte Baserga auch in der Verfolgung.

Amy, ist dir bewusst, dass du bislang Einmaliges geschafft hast im Schweizer Biathlon-Sport?

Amy Baserga: Zunächst war es mir nicht bewusst. Aber während der kleinen Feier am Dienstagabend, nach meinem Sieg im Sprint, hat dies unser Disziplinenchef Markus Segessenmann erwähnt. Und nun hat sich alles gar noch verdoppelt.

Hast du schon realisiert, was in den vergangenen Stunden geschehen ist?

Es kamen nach der ersten Goldmedaille so viele Reaktionen und Glückwünsche, für die ich mich bedanken wollte. Darüber hinaus gab es viele weitere Termine, sodass ich mich noch gar nicht gross mit mir selber beschäftigen konnte. Ich bin wirklich überwältigt und habe selbst nicht mit Podestplätzen in Obertilliach gerechnet. Ich bin hierhergekommen und wollte Spass haben – mit einem super Team im Rücken. Es ist im Biathlon extrem schwierig, Ziele an Rängen festzumachen. Die Konkurrenz ist so gross, es sind so viele Athletinnen am Start. Dass es mir im Sprint gelungen ist, in beiden Schiessen fehlerfrei durchzukommen, erfüllte mich mit grosser Zufriedenheit. Aber ich wusste im Ziel zunächst nicht, für was diese Leistung reicht. Da habe ich schon gezittert. Ich wollte einfach nicht noch einmal Vierte werden.

Vierte warst du zwei Tage zuvor im Einzel geworden. Da wurde schon deutlich, dass ein Podestplatz auch an dieser WM möglich ist.

Ich war nach jenem Wettkampf unglaublich zufrieden, schliesslich war ich die Viertbeste unter 95 Athletinnen. Das gab enorm viel Selbstvertrauen. Was in den bisherigen WM-Tagen geschehen ist, ist absolut crazy. Ich habe in allen drei Wettkämpfen zusammen lediglich drei Fehler geschossen. Dass es mir gelungen ist, mit einer absoluten Coolness diese Rennen anzugehen, ist unvorstellbar. Null Fehler im Sprint zu schiessen, an jenem Tag X, an dem es darauf ankommt – sensationell.

Wie bist du nach diesem Erfolg das Verfolgungsrennen angegangen? Völlig befreit?

Als ich am Morgen aufgestanden bin, war ich müde. Ich hatte ja einerseits das Rennen vom Vortag in den Beinen, das erging jedoch allen Athletinnen, die für die Verfolgung zugelassen waren, so. Aber es war natürlich auch mental eine Herausforderung, es gab so viele Eindrücke, die verarbeitet werden mussten. Aber das Selbstvertrauen war gross. Ich habe mir vor dem Rennen gar nicht gross Gedanken gemacht. Ich habe nicht vorgängig schon mit einer weiteren Medaille spekuliert, obschon ich als Führende ins Rennen gehen durfte. Ich war aber locker drauf und erst kurz vor dem Start etwas angespannt. Danach ging es darum, auf die Technik zu schauen und konzentriert zu bleiben – sowohl auf der Loipe als auch am Schiessstand. Nach dem Fehler beim dritten Schiessen wurde ich dann schon nervös, weil ich weiss, wie rasch es im Biathlon gehen kann – sowohl nach vorne als auch nach hinten.

Wann warst du dir während des Rennens sicher, dass es innert 24 Stunden zum zweiten Mal zu Gold reichen würde?

Erst ganz am Schluss. Während des letzten Anstiegs rief mir unser Trainer Markus Segessenmann zu, ich hätte 45 Sekunden Vorsprung. Da war ich kurz perplex und bin fast erstarrt. Die letzten 30 Meter vor dem Ziel habe ich dann geniessen können. Es war wunderbar, die Betreuer jubeln zu sehen.

Du hast seit 2018 an allen Titelkämpfen mindestens eine Medaille errungen. Vor einem Jahr in Lenzerheide, als du erstmals in der höchsten Nachwuchskategorie antreten durftest, gewannst du Bronze im Einzel. Welche Fortschritte hast du seither erzielt?

Ich bin sicherlich im Schiessen relativ konstant geworden. Im Sommer habe ich sehr gute Schiesstrainings absolviert. Gleichwohl lief es mir zuletzt im IBU Cup im Schiesstand nicht gut. Ich bin deswegen während des WM-Vorbereitungslagers nervös geworden. Aber irgendwie gelang es mir einmal mehr, ausgerechnet an der WM eine unglaubliche Coolness an den Tag zu legen. Ich kann es mir irgendwie selbst nicht erklären. Ich habe mich einfach auf die Wettkämpfe gefreut, denn für diese trainieren wir schliesslich den ganzen Sommer über. Wir haben wirklich ein unglaublich tolles Team, wir sind wie eine Familie. Die beiden Goldmedaillen hängen nun zwar bei mir zuhause, aber sie gehören dem ganzen Team – mein Teamkolleginnen und -kollegen, den Trainern, den Serviceleuten. Und sie gehören auch meiner Familie, die mich unglaublich unterstützt.

 

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