Der erste Winter macht Lust auf mehr

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David van Wijnkoop startet in seinen zweiten Winter als Cheftrainer der alpinen Snowboarder. | Bild: Stephan Bögli

Der 32-jährige David van Wijnkoop ist seit Mai 2019 Cheftrainer der alpinen Snowboarder. Nach einer erfolgreichen Saison hat er den Anspruch, mit seinen Athletinnen und Athleten «in jedem Bereich» besser zu werden.

Der Mann sprüht vor Tatendrang, das ist unüberhörbar. Und an Kreativität mangelt es auch nicht, wenn es um die Planung der Zukunft geht. David van Wijnkoop steht vor seinem zweiten Winter als Cheftrainer der alpinen Snowboarder und sagt: «Dieser Job ist eine grossartige Herausforderung.»

Der Name Van Wijnkoop stammt, unschwer zu erraten, aus Holland. Aber eine Verbindung zu jenem Land existiert nicht mehr, zumal schon seine Eltern in der Schweiz geboren wurden. David wächst in Bern auf, spricht kein Holländisch und hat auch nur eine Staatsbürgerschaft. Als sich die Eltern trennen, zieht er mit seiner Mutter ins Bündnerland, besucht in Chur das Gymnasium und entdeckt in den Bergen das Snowboarden.

Der 32-jährige Van Wijnkoop wächst in einer musikalischen Familie auf, in seiner Jugend spielt er Waldhorn und Schlagzeug. Aber die grösste Leidenschaft entwickelt er für den Sport. Vieles probiert er aus, an vielem hat er Spass, an Fussball und Unihockey, auch an Kampfsportarten. Aber als ihm sein Götti in jungen Jahren ein Snowboard schenkt, fasziniert ihn das mehr als alles andere. Er möchte die Kunst beherrschen, damit elegant und schnell im Schnee unterwegs zu sein.

Der Rücktritt als Athlet mit 24

Sein Talent bleibt nicht im Verborgenen, aber 2007 muss er einen schweren Rückschlag verkraften. In Bad Gastein möchte er an der Junioren-WM für Furore sorgen, aber dann kommt es fernab der Rennstrecke zu einem verhängnisvollen Zusammenprall mit einem Skifahrer. Van Wijnkoop erleidet einen Kniescheibenbruch und muss ein ganzes Jahr pausieren.

Aber er denkt nicht an Resignation. Er ist immer noch jung, er hat grosse Ziele – also arbeitet er intensiv für sein Comeback. Van Wijnkoop schafft es ins nationale B-Kader und absolviert Rennen im Weltcup. Nur: Er merkt immer mehr, wie schwierig es wird, seinen Ambitionen gerecht zu werden. Er ist 24, als er den Rücktritt gibt. Heut sagt er: «Vielleicht hätte mir damals die Gelassenheit, die ich heute habe, gutgetan. Manchmal war ich damals wohl etwas zu verbissen.»

Nicht, dass er das Brett in eine Ecke stellt und nicht mehr anrührt. Aber er setzt die Prioritäten anders. Er lässt sich zum Sportlehrer auf Stufe Gymnasium ausbilden, studiert an der Universität Sportwissenschaften, schliesst 2015 mit dem Bachelor ab und beginnt mit dem Master. Und 2016 kehrt er zu den Snowboardern zurück – als Trainer.

Assistent von Christian Rufer

Van Wijnkoop hat inzwischen auch in diesem Bereich Lehrgänge belegt, die ihn befähigen, das Schweizer B-Kader zu übernehmen. 2018, nach zwei Jahren im Amt, wird er Assistent von Christian Rufer im A-Team. Die Saison 2018/19 ist für ihn auch eine Art Fortbildung an der Seite eines erfolgreichen Coachs: Unter Rufer holten die Schweizer sechs Medaillen an Olympischen Spielen und fünfzehn bei Weltmeisterschaften. Als der Toggenburger nach total 13 Saisons seinen Rücktritt gibt, ist van Wijnkoop nicht der einzige Bewerber um das Amt des Cheftrainers. Aber er erhält Anfang Mai 2019 den Zuschlag.

Guter Einstieg

Er arbeitet mit Athleten, denen er ein hohes Mass an Selbstständigkeit attestiert, «das sind Profis, die ihren Beruf lieben». Die Eigenverantwortung zeigt sich auch im Sommertraining. Und ist es van Wijnkoop wichtig, sein Team auch in jenen Monaten eng zu begleiten. «Alle sollen ihre Freiheiten behalten dürfen», sagt er, «aber regelmässige Trainings zusammen können wiederum für alle förderlich sein.» Unter anderem mussten die Athletinnen und Athleten in Magglingen Leistungstests absolvieren, wie sie die alpinen Skifahrer auch kennen. Diese Tests liefern wertvolle Erkenntnisse über die Kraftfähigkeiten der Beine und des Rumpfs.

Die erste Saison der Ära van Wijnkoop ist geprägt von drei frühen Podestplätzen in Russland. Julie Zogg gewinnt den Parallelslalom – Ladina Jenny wird Dritte und belegt im
Riesenslalom Platz 2. Im Februar sieht das Podest im Riesenslalom erfreulich aus: 1. Zogg, 3. Jenny. Zogg, die überdies im Januar den Riesenslalom von Piancavallo für sich
entscheidet, holt am Ende die kleine Kugel für die Beste im Slalom. Bei den Männern liefert Dario Caviezel ein erfreuliches Resultat. In Scuol fährt der Bündner im Januar auf den dritten Rang.

Van Wijnkoop setzt hohe Ziele

«Wir dürfen insgesamt von einem sehr erfolgreichen Winter reden und haben Lust auf mehr», sagt Van Wijnkoop. «Wir haben bewiesen, dass wir ein konkurrenzfähiges Kader beisammen haben.» Der Coach ist getrieben vom Ehrgeiz, mit seinen Athletinnen und Athleten «in jedem Bereich» besser zu werden. Im Optimalfall könnte bei den Frauen der Gewinn der grossen Kugel ein Thema werden – die Ostschweizerin Julie Zogg glänzte zuletzt als Zweite hinter der Deutschen Ramona Hofmeister. «Wir setzen uns hohe Ziele», erklärt van Wijnkoop, «aber wir wissen auch, dass gerade die Konkurrenz aus Deutschland enorm stark sein wird.»

Er hat die Hoffnung, dass bei den Männern Nevin Galmarini schmerzfrei durch die Saison kommt. Der Olympiasieger, der im vergangenen Winter wegen einer Rücken-Operation kein Rennen bestreiten konnte, ist für van Wijnkoop im Normalfall ein sicherer Wert. Zufrieden ist er mit der Vorbereitung auf den bevorstehenden Weltcup: «Wir konnten wieder unter sehr guten Bedingungen trainieren.»

Ihn und seine Gruppe begleitet natürlich die Ungewissheit, ob in Zeiten von Corona das volle Programm bewältigt werden kann. Van Wijnkoop zerbricht sich deswegen aber nicht zu sehr den Kopf. «Flexibilität» ist das Schlüsselwort: «Wir müssen einfach jeweils das Beste aus der Situation machen.»

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