Der «eiserne» Karl wird 80

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Allein das Attribut flösst Respekt ein. «Eisern», das weckt Assoziationen mit unnachgiebiger Härte und wirkt fast martialisch. Karl Frehsner, der den (Schweizer) Skirennsport geprägt hat wie kaum ein anderer, wird am 13. Juni 80 Jahre alt.

Man kann sich längst mit Frehsner übers Skifahren unterhalten, ohne Angst zu haben, beim geringsten fachtechnischen Manko in seinen Hammer zu laufen. Oder zu fürchten, dass er einem droht, die Akkreditierung wegzunehmen. Es gab in der Tat Phasen, in denen man am gescheitesten einen Bogen um ihn machte. Vor allem vor einem Saisonstart. Ein falsches Wort – und ein verbales Gewitter brach über den Bedauernswerten los. Wenn er sich im «Rennmodus» befand, war nicht gut Kirschenessen mit ihm.

Weicher Kern

Immerhin, seine charmante Gemahlin signalisierte Mitgefühl. Einmal meinte sie: «Auch ich war schon froh, wenn er vor einem Saisonbeginn aus dem Haus war.» Als sie einmal – im Vor-Handy-Zeitalter – zu einem Rennen auf Besuch kam, wollte ihn jemand freundlich darauf aufmerksam machen: «Du, Karl, Rosmarie wartet auf dich». «Wer ist Rosmarie?», baffte er zurück. «Sorry, deine Frau!». Rosmarie und Karl Frehsner sind seit 54 Jahren verheiratet.

Hinter der harten Schale versteckt sich ein weicher Kern. Als Brigitte Obermoser einst in Bormio einen Riesenslalom gewann, wischte er in einer Ecke des Zielraums verstohlen eine Träne weg. Was war passiert? «Niemand», so Frehsner, «hat ihr das zugetraut.» In solchen Momenten, wenn er vermeintlich Unmögliches schaffte, zeigte auch der bärbeissige Frehsner Emotionen. Das war sein Anspruch: Aus allen das Maximum herauszuholen. Dafür setzte er sich 110-prozentig ein. Das forderte er auch von seinen Schützlingen.

Kein Schleck

«53 Medaillen sind kein Zufall», schrieb Karl Wild in einem Buch über Frehsner. Er ist der einzige Trainer, der an einer WM, 1987 in Crans-Montana, mit den Schweizer Abfahrern einen vierfachen Triumph feierte. Und das Kunststück zwölf Jahre später in Vail mit den Österreicherinnen wiederholte.

Als der Autor Frehsners Exploit im damaligen «Ski» würdigen wollte, strich der Swiss-Ski-Redaktor die Passage kurzerhand weg. Wieder einmal war Frehsner im Verband «persona non grata». An der WM in Saalbach hatte er sich mit den Verbandsoberen verkracht. So landete er nach einem Abstecher in die Formel 1, wo er die Sauber-Piloten fit trimmte, beim ÖSV. Ehe er Anfang dieses Jahrtausends als «Nothelfer» in die Schweiz zurückkehrte und im Krisen-Jahr 2004 eine Boulevard-Kampagne gröbster Dimension über sich ergehen lassen musste. Von einem missglückten Rennen in Flachau berichtete der «Blick» demonstrativ mit einer: leeren Seite.

Für Stoff und Schnitt

Auch mit 80 ist Frehsner mandatsmässig immer noch bei Swiss-Ski angestellt. Er ist, wie er sagt, für «Stoff und Schnitt zuständig», oder präziser für die Anzüge. In diesem Bereich gilt er immer noch als Experte Nummer 1. «Wir haben die Sache jetzt einigermassen in einen Ruhestand gebracht», stapelt er tief. Während über 50 Jahren hat er sich ein einzigartiges Wissen angeeignet, das für Swiss-Ski nach wie vor sehr wichtig ist. Der Windkanal bleibt seine Domäne. Am Lauberhorn gibt er jeweils als Betreuer der Vorfahrer, in der Regel Europacup-Piloten, sein immenses Knowhow weiter.  

Wissensbegierig

Aerodynamik hätte ihn schon immer interessiert, nicht erst seit seiner Tätigkeit in der Formel 1. Mit einigen Ingenieuren pflegt er weiterhin Kontakt: «Das sind alles Genies.» Frehsner geht an Vorlesungen an die ETH, befasste sich als einer der ersten mit Nano-Technologie. Und ist ohnehin ein Computer-Freak der ersten Stunde. Schon in den Siebzigerjahren wertete er die Daten der Tag-Heuer-Zeitmessung auf seinem «Texas-Rechner» aus, als die Journalisten ihre Berichte noch unbeholfen übers Telefon durchdiktierten.

Harte Sitten

Frehsner war in erster Linie ein vifer Zeitgenosse und genialer Stratege, und nicht nur ein «eiserner» Trainer. Dieses Adjektiv, das müsse man wissen, sei ihm zugeordnet worden «wegen meiner Konsequenz. Eine Minute zu spät, ist zu spät». Peter Müller liess er einmal mit Sack und Pack in Adliswil stehen, als er zu spät zum Treffpunkt erschien. Und Paul Accola nahm er die Startnummer weg, als er eine Teamsitzung verschlampte. Alle, die ihn damals ins Pfefferland verwünschten, loben ihn heute über den grünen Klee.

Härte kannte er in erster Linie gegen sich selbst. So bezwang er schon 1961 die Eigernordwand, als der Aufstieg noch ein beträchtliches Wagnis darstellte. Frehsner: «Wer nach dem Hinterstoisser Quergang Probleme bekam, konnte damals noch nicht auf Rettung zählen.» Und fügt an: «Ich könnte tagelang nur von Wasser und Brot leben.»

Am 13. Juni, feiert Frehsner seinen 80. Geburtstag, «ein Tag», so der Jubilar, «wie jeder andere». Eine grosse Feier ist nicht vorgesehen. Er will es ruhig angehen. Auf anspruchsvollen Strecken wie in Bormio spürt er, dass auch bei ihm das Alter nicht spurlos vorbeigegangen ist. Beim Runterrutschen in Steilhängen falle es ihm manchmal schwer, die Ski unter Kontrolle zu halten: «Ich muss wieder intensiver Krafttraining machen.» Von Aufhören keine Spur. 

Alles Gute zu deinem Achtzigsten, lieber Karl!