Aufbruch und Chance - das Schweizer Biathlon-Team vor dem Weltcup-Start

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Nach einem schwierigen vergangenen Winter stehen die Zeichen innerhalb des Schweizer Biathlon-Teams auf Aufbruch. Verschiedene personelle Wechsel bieten neue Chancen – und werden auch als solche wahrgenommen.

Die Saison 2022/23 markiert für den Schweizer Biathlonsport zweifelsfrei den Beginn einer neuen Ära. Einerseits aufgrund der Tatsache, dass die langjährigen Teamleader Selina Gasparin und Benjamin Weger nach ihren Rücktritten im Frühjahr das Weltcup-Geschehen nur noch aus der Ferne verfolgen werden. Andererseits aber auch deshalb, weil im kommenden Winter nicht nur die Weltmeisterschaften in Oberhof (8. bis 19. Februar) als Highlight im Wettkampfprogramm stehen, sondern mit den Europameisterschaften (25. bis 29. Januar) auch der erste von drei Biathlon-Grossanlässen bis 2025 auf der Lenzerheide.

Das Schweizer Weltcup-Team muss seit diesem Frühjahr nicht nur ohne Selina Gasparin, das Gesicht und Aushängeschild des Schweizer Biathlonsports in den vergangenen Jahren, auskommen, sondern mit Benjamin Weger auch ohne den erfolgreichsten Athleten auf Männer-Seite. Dass die beiden sportlich sofort 1:1 ersetzt werden können, wäre gemäss Lukas Keel vermessen zu glauben. Der Disziplinenchef, der seit Sommer 2021 im Amt ist, ist jedoch überzeugt, dass die neue Konstellation innerhalb der Teams durchaus aber auch Chancen bietet. «Die Karten sind neu gemischt. Nun kann sich niemand mehr hinter Selina und Benji verstecken. Es liegt nun an anderen Athletinnen und Athleten, Verantwortung zu übernehmen und in neue Rollen hineinzuwachsen.»

Ich verspüre einen tollen Spirit innerhalb unserer Teams.

Sandra Flunger, Cheftrainerin Frauen-Team

Innerhalb des von gesundheitlichen Rückschlägen im vergangenen Winter gebeutelten Frauen-Teams von Nationaltrainerin Sandra Flunger ist die Zuversicht gross, die letztjährigen Probleme hinter sich gelassen zu haben. Die Saisonvorbereitung verlief weitestgehend sorgenfrei und nach Plan. Für Flunger ist es bereits die fünfte Saison, die sie als Trainerin der Frauen bei Swiss-Ski in Angriff nimmt. Die Österreicherin freut sich über eine gelungene Saisonvorbereitung auf und abseits der Trainingsanlagen und auf die bevorstehenden Herausforderungen. «Vor uns liegt eine spannende Zeit mit vielen Grossereignissen. Wir arbeiten innerhalb des Trainerteams sehr gut und eng zusammen und verfolgen ehrgeizige Ziele. Ich verspüre einen tollen Spirit innerhalb unserer Teams.»

Angeführt wird die Frauen-Equipe von Lena Häcki-Gross, seit der Saison 2018/19 jeweils die beste Schweizer Athletin im Weltcup, Elisa Gasparin und Aita Gasparin. Alle drei verfügen über mehrjährige Erfahrung auf höchster Stufe und waren unter anderem Teil jener Schweizer Frauen-Staffel, die vor drei Jahren gleich drei Weltcup-Podestplätze herausgelaufen hatte. Teamintern Druck auf die Arrivierten dürfte vor allem von der zweimaligen Junioren-Weltmeisterin Amy Baserga ausgeübt werden. Die Athletin des Skiclubs Einsiedeln war bereits letzte Saison fünfmal in die Punkteränge gelaufen. Zudem war sie Mitglied jener Schweizer Mixed-Staffel, die an den Olympischen Spielen in Peking Platz 8 und damit einen Diplom-Rang erreichte. Fragezeichen gibt es derweil um Irene Cadurisch. Die 31-jährige Bündnerin, 2018 Olympia-Achte im Sprint, verpasste aus gesundheitlichen Gründen die gemeinsame Saisonvorbereitung mit den Teamkolleginnen.

Neue Gesichter im Trainer-Team

Derweil Sandra Flunger als Cheftrainerin der Frauen bereits in ihre fünfte Weltcup-Saison geht, steht bei den Männern nach dem Abgang von Alexander Wolf ein neues Gesicht am Schiesstand. Remo Krug, zuletzt Trainer der deutschen IBU-Cup-Teams am Stützpunkt in Ruhpolding, ist seit diesem Frühjahr als Cheftrainer für die Männer-Equipe von Swiss-Ski verantwortlich. Während der Saisonvorbereitung lag sein Fokus im Schiesstraining zunächst darauf, die technischen Elemente – Atmung, Anschlag, Anvisieren, Abziehen – bei den Athleten zu stabilisieren.

«Ich habe mich sehr gut eingelebt in der Schweiz – auch dank der tollen Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich, gemeinsam mit hochmotivierten, meist noch sehr jungen Athleten die neue Saison in Angriff zu nehmen», so der 60-jährige Deutsche. Sowohl Joscha Burkhalter (Platz 10) als auch Niklas Hartweg (Platz 17) und Sebastian Stalder (Platz 15) hatten im vergangenen Winter ein persönliches Weltcup-Bestresultat realisiert und die Olympia-Qualifikation geschafft. Nun gilt es für sie, die nächsten Schritte nach oben zu machen. Derzeit verfügt die Schweiz über weniger Athleten, als ihr bei den Männern im Weltcup und im IBU Cup (zweithöchste Stufe) Startplätze zur Verfügung stehen. «Leider fehlt uns aktuell noch die Breite», so Krug. «Aber das schliesst gute Ergebnisse und weitere Fortschritte bei jedem einzelnen Athleten nicht aus. Ebenso sind wir gefordert, kontinuierlich die älteren Athleten aus dem Junioren-Kader an den IBU Cup heranzuführen.»

Ergänzt wurde das Trainer-Team um Flunger und Krug durch Kein Einaste. Der Este stiess intern vom Langlauf- zum Biathlon-Team, mit dem Ziel, die Athletinnen und Athleten athletisch und läuferisch voranzubringen und sie technisch sowie physisch auf ein höheres Level zu hieven.

Medaillen bei der Sommer-WM als Ansporn

Die besten Chancen, Podestplätze im Weltcup und an der WM zu erreichen, sieht das Trainer-Team in den gemischten Staffeln. Jubel über Medaillengewinne hatte es im Schweizer Team bereits Ende August in Ruhpolding anlässlich der Sommer-Biathlon-WM gegeben, als Lena Häcki-Gross und Niklas Hartweg jeweils Bronze im Sprint errangen. Auch der starke 4. Platz von Sebastian Stalder im Massenstart zeigte auf, dass der eingeschlagene Weg stimmt. Ebenso war es sehr erfreulich, dass Lena Häcki-Gross eine Woche später bei den Deutschen Meisterschaften in Oberhof siegreich sein konnte. Selbstredend dürfen diese Erfolge nicht überbewertet werden, zumal grosse Biathlon-Nationen wie Frankreich und Norwegen bei der Sommer-WM nicht am Start waren. Für zusätzliches Selbstvertrauen, Zuversicht und Ansporn sorgten die gelungenen Ernstkämpfe im Sommer gleichwohl.

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