«Stillstand bedeutet Rückschritt»

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Bernhard Aregger ist seit November 2019 CEO von Swiss-Ski. Der Luzerner erlebte in seiner neuen Funktion einen überaus erfolgreichen ersten Winter, mahnt jedoch, sich auf dem Erfolg auszuruhen und die Weiterentwicklung nicht konsequent voranzutreiben.

Welche Bilanz ziehst du für dich persönlich nach deiner ersten Saison als CEO von Swiss-Ski?

Bernhard Aregger: Gesamtheitlich kann ich eine positive Bilanz ziehen. Ich habe den Verband so angetroffen, wie ich ihn mir mit meinem Vorwissen aus meiner Tätigkeit als Präsidiumsmitglied vorgestellt habe. Swiss-Ski verfügt über eine solide Struktur, finanziell und organisatorisch sind wir zweckmässig aufgestellt. Sportlich haben wir über weite Teile eine hervorragende Saison erlebt. Gleichzeitig dürfen wir uns aber nicht blenden lassen. Wir haben Aufgaben zu erledigen, damit dies auch in naher und mittelfristiger Zukunft so bleibt oder noch besser wird. Um dies zu erreichen, kann ich auf hervorragende und kompetente Mitarbeiter zählen.

Gleich in der ersten Saison, in welcher du die operative Führung innehattest, konnte der Verband mit dem Gewinn der Nationenwertung bei den Alpinen einen grossen Traum verwirklichen und einen Prestigeerfolg feiern. Welche Bedeutung hat die Rückkehr auf den alpinen Ski-Thron für Swiss-Ski?

Es ist ein konsolidierter Leistungsausweis für hervorragende Einzelergebnisse, die von unseren Athletinnen und Athleten erreicht worden sind. Entsprechend hat der Sieg im Nationencup für Swiss-Ski eine sehr grosse Bedeutung. Der Stellenwert und das damit verbundene Prestige ist riesig. Dies kommt bei der ganzen Fangemeinde, bei unseren Mitgliedern und dem gesamten Staff zum Ausdruck, und es hat sich nicht zuletzt auch stark in der medialen Berichterstattung widergespiegelt. Wir haben uns kontinuierlich dorthin entwickelt, wo wir jetzt stehen. Es ist ja nicht so, dass wir zuvor ständig auf Platz 2 gelegen hätten. Vor sieben Jahren hat beispielsweise noch der 7. Platz resultiert. Der Erfolg im Nationencup hilft Swiss-Ski direkt, aber auch indirekt aus bestehenden Verträgen zusätzliche Gelder zu generieren, aber auch, wenn Verträge mit Sponsoren und weiteren Partnern verhandelt werden. Dies kommt letztlich auch wieder den Athletinnen und Athleten zugute – von der Nationalmannschaft bis hinunter ins Regionalkader. Um auch in Zukunft sportlich konkurrenzfähig zu sein, muss Swiss-Ski jedes Jahr mehr Geld in den Leistungssport investieren und seine Infrastruktur laufend verbessern. Stillstand bedeutet auf höchstem sportlichen Niveau Rückschritt. Wir alle wünschen uns, dass es nicht wieder 30 Jahre dauert, bis die Schweiz die Nationencup-Trophäe gewinnen kann.

Seit den Heim-Weltmeisterschaften 2017 in St. Moritz erleben wir bei den Schweizer Alpinen die erfolgreichste Periode seit Ende der Achtzigerjahre. Was stimmt dich positiv, dass diese Erfolgswelle noch einige Jahre andauern wird?

Das Wissen, über welches Potenzial wir im Moment im Weltcup verfügen. Es gibt noch einige Athletinnen und Athleten, die darauf warten, nach vorne zu stossen. Das ganze Zusammenspiel zwischen Trainern, Betreuern und Technikern funktioniert, der Verband verfügt über ein starkes Rückgrat. Aber wie gesagt: Es gilt, stetig weiterzuarbeiten und sich nicht auf dem Erfolg auszuruhen, sondern sich weiterzuentwickeln. Und letztlich braucht es wie so oft im Sport immer auch ein Quäntchen Glück.

Um die sportliche Entwicklung finanziell abzusichern, müssen Jahr für Jahr zusätzliche finanzielle Mittel generiert werden.

 

In der vergangenen Saison hast du insbesondere die Nordischen als interimistischer Sportdirektor eng begleitet. Hier gab es gleich mehrfach historische Erfolge und Podest-Premieren.

Es war auf der persönlichen Ebene sehr interessant, die nordischen Disziplinen in dieser Tiefe kennenzulernen. Wir dürfen im Langlauf und Biathlon auf eine sehr erfolgreiche Saison zurückblicken. Besonders freut mich, dass nicht nur unsere Weltcup-Teams im Vergleich zur Vorsaison deutlich mehr Podestplätze errungen haben, sondern auch die Tatsache, dass in diesen beiden Sportarten auf Stufe Nachwuchs viele hoffnungsvolle Talente in den Startlöchern stehen, wie wir dies bei den Youth Olympic Games in Lausanne sowie an den Junioren-Weltmeisterschaften in Lenzerheide und in Oberwiesenthal gesehen haben. Diese Athletinnen und Athleten gilt es nun behutsam ans Weltcup-Niveau heranzuführen. Der Weg an die Spitze ist noch weit.

Sorgen bereiten die Skispringer.

Der Aufwärtstrend der letzten Saison konnte leider nicht fortgesetzt werden. Nach einem tollen Start in die Saison mit Killian Peiers erstem Podestplatz im Weltcup riss der Faden. Dies gilt es zu analysieren. Das Potenzial für bessere Klassierungen ist zweifelsohne vorhanden. Zuversichtlich stimmen mich einzelne Resultate aus dem Continental Cup, der zweithöchsten Stufe. Wir müssen die nötige Geduld aufbringen.

Wie fällt dein sportliches Fazit für die Bereiche Snowboard, Ski Freestyle und Telemark aus?

In diesen Sportarten sind wir fast schon traditionell erfolgsverwöhnt. Das war auch im letzten Winter nicht anders. Herauszuheben gilt es die Entwicklung im Aerials, wo es Noé Roth mit einem fantastischen Finish geschafft hat, nach 2006 den ersten Schweizer Disziplinensieg zu erringen. Die Freeskier holten mit Giulia Tanno, Sarah Höfflin und Andri Ragettli drei Kristallkugeln, Julie Zogg gewann im Snowboard die Gesamtwertung im Parallel-Slalom, und im Telemark gab es nicht weniger als sieben Kristallkugeln. Umso bitterer ist es, dass beide Heimweltcups unseres Telemark-Teams in Mürren und Thyon der Coronakrise zum Opfer fielen. Auch die Freeskier hätten ihren Saisonabschluss auf heimischem Schnee, auf dem Corvatsch, gehabt – ebenso die Skicrosser in Veysonnaz.

Welche sportlichen Entwicklungen der vergangenen Monate waren für dich besonders positiv?

Neben dem eben erwähnten Kugel-Gewinn von Noé Roth gehören hier sicherlich die Konstanz und Breite unseres Alpin-Teams an der Spitze über die gesamte Saison dazu. Daraus resultierten neben dem Sieg im Nationencup gleich fünf kleine Kristallkugeln für Corinne Suter, Beat Feuz, Mauro Caviezel und Loïc Meillard. Im Biathlon hat unsere Frauen-Staffel gleich mehrmals mit Podestplätzen ein Ausrufezeichen gesetzt, das war fantastisch. Man darf nicht vergessen, dass es noch nicht allzu lange her ist, dass die Schweiz bei den Frauen gar keine Biathlon-Staffel stellen konnte respektive diese gegen die Überrundung ankämpfen musste. Sehr erfreulich war, dass Nadine Fähndrich wiederum einen Schritt nach vorne machen konnte. Sie war an vier der insgesamt sechs Podestplätze im Langlauf-Weltcup beteiligt. Und dass unsere Nachwuchs-Langläufer gleich mit vier Medaillen von Junioren- und U23-Weltmeisterschaften nach Hause zurückkehren konnten wie zuletzt aus Oberwiesenthal, gab es zuvor noch nie.

Und was waren für dich die negativen Seiten?

Ganz klar die Anzahl verletzter Athletinnen und Athleten; die Gesamtzahl ist schlichtweg zu hoch. Getroffen hat es vor allem die Jungen. Nicht zufriedenstellend waren zudem die Resultate unserer Alpinen auf Stufe Europacup, hier haben wir ein wenig an Terrain verloren. Diese Lücke gilt es wieder zu schliessen.

Welches waren deine drei «Magic Moments» der zurückliegenden Saison?

Da war zum einen die unvergessliche Berner Oberländer Ski-Woche in Adelboden und Wengen mit den Heimsiegen von Daniel Yule und Beat Feuz. Dann, rund einen Monat später, folgte das Speed-Fest in Crans-Montana, als es in beiden Abfahrten dank Lara Gut-Behrami und Corinne Suter einen Doppelsieg gab, wobei Letztere auch noch vorzeitig die kleine Kristallkugel für den Disziplinensieg gewinnen konnte. Ein drittes Highlight waren die bereits erwähnten Podestplätze unserer Biathlon-Frauen-Staffel. Drei Podestplätze in sechs Rennen, damit Platz 2 im Staffel-Weltcup – genial.

Herausfordernd werden die kommenden Monate, wenn es in Richtung Saisonstart geht.

 

Sportlich lief die Saison mehrheitlich sehr erfreulich. Wie ist Swiss-Ski wirtschaftlich unterwegs?

Um die sportliche Entwicklung finanziell abzusichern, müssen Jahr für Jahr zusätzliche finanzielle Mittel generiert werden. Dies ist eine immerwährende Herausforderung. Aber wir konnten abermals neue Partner an Bord holen und bestehende weiter an uns binden, was uns riesig freut. Wir sind finanziell stabil auf Kurs. Wiederum gelang es uns – trotz abruptem Saisonende –, ein Geschäftsjahr mit einem Ertragsüberschuss abzuschliessen.

Wie hart trifft die Corona-Krise den Verband wirtschaftlich?

Was die Saison 2019/20 betrifft hatten wir insofern Glück im Unglück, weil beim Abbruch bereits mehr als 90 Prozent der Saison abgeschlossen war. Die unmittelbaren Auswirkungen waren noch überschaubar. Herausfordernd werden aber die kommenden Monate, wenn es in Richtung Saisonstart geht. Swiss-Ski wird dann wieder mitverantwortlich sein bei der Vermarktung unserer Heimweltcups. Die grosse Frage lautet: Wie geht es dann der Wirtschaft im Allgemeinen und unseren bestehenden und potenziellen Partnern im Speziellen?

Welches ist dein Hauptziel für dein zweites Jahr als Swiss-Ski CEO?

Ich möchte unsere Personal-Struktur konsolidiert und unsere sportlichen Ziele in Bezug auf die Weltcups und die anstehenden Weltmeisterschaften in allen Sportarten erreicht haben. Wichtig für mich ist zudem, dass wir weiterhin eine gute sportliche und wirtschaftliche Basis legen können für die kommende Olympia-Periode 2022 bis 2026.


Swiss-Ski Jahresbericht 2019/20