Swiss-Ski trauert um Sportbekleidungs-Pionier Hans Hess

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Hans Hess mit Ehefrau Edith und Swiss-Ski Präsident Urs Lehmann (l.) sowie dem damaligen CEO Markus Wolf im Rahmen des Abgabetags im Fliegermuseum in Dübendorf im Oktober 2016. (Bild: Swiss-Ski/Stephan Bögli)

Der Schweizerische Skiverband Swiss-Ski sowie die gesamte Schweizer Sportfamilie trauern um Sportbekleidungs-Pionier Hans Hess. Der gelernte Mechaniker, der mit den ersten aerodynamischen Rennanzügen massgeblich am grossen Erfolg des Swiss-Ski Teams seit den 70er-Jahren teilhat, ist im Alter von 90 Jahren verstorben.

Medaillen-Schneider, Anzug-Professor – die Prädikate, die Hans Hess im Laufe seiner erfolgreichen Laufbahn zugekommen sind, sind zahlreich. Ihnen gemein allerdings war stets das, wofür sie standen: einen erfolgreichen Unternehmer und Tüftler, der massgeblich zum grossen Erfolg des Swiss-Ski Teams beigetragen und den Sport als Ganzes in neue Dimensionen gehoben hat. Nun ist Hans vor rund zwei Woche verstorben. Er wurde 90 Jahre alt.

Erfinder des modernen Skianzugs

Hans Hess gilt als Erfinder des modernen Renndress; er war der Erste, der einen Einteiler als Rennbekleidung vorsah und entwickelte. Auf die Idee, sein technisches Know-how für die Entwicklung eines aerodynamischen alpinen Rennanzuges einzusetzen, war er gemeinsam mit seinem Nachbarn und Tauchpionier Hannes Keller zufällig beim Besuch der Lauberhornrennen gekommen. Die flatternden Hosen beim Sprung über den Hundschopf erzeugten «ein Geräusch, wie wenn ein Schnellzug vorbeifahren würde», erklärte Hess einst gegenüber den «Wiler Nachrichten». Obschon er gemeinsam mit Hannes Keller zuvor bereits einen Anzug zum Tiefseetauchen entwickelt hatte, verfügte er in der Entwicklung von Bekleidung für den Skisport über keinerlei Erfahrung. Doch abbringen liess er sich davon nicht; Hess hatte Blut geleckt und setzte fortan alles daran, Athletinnen und Athleten mit einem aerodynamischen Anzug zu mehr Geschwindigkeit zu verhelfen.

1969 gründete er mit Hannes Keller die Skin AG, die sich zum Ziel setzte, Skianzüge zu produzieren, die wie eine zweite Haut sassen. Um Erfahrungswerte zu sammeln, schreckte Hess auch vor unkonventionellen Methoden nicht zurück: So musste etwa die Skihose seiner Ehefrau Edith schon mal daran glauben, damit Hess deren Aufbau und Innenleben studieren konnte, und die ersten entwickelten Anzüge wurden vom Ehepaar Hess gleich selbst auf der Piste getestet – was sie beide zu Opfern von Hohn und Spott machte.

Doch mit den eigenen Erfahrungen sowie Tests im Windkanal konnte Hess seine Entwicklungen zunehmend präzisieren, und ab 1971 kleidete die Skin AG das Schweizer National-Team der Alpinen ein. Im gleichen Jahr wurde auch der japanische Textilhersteller Descente auf die hochtechnologischen Anzüge Hess' aufmerksam. Das Interesse an einer Zusammenarbeit wuchs, als die Schweizer Ski-Delegation bei den Olympischen Winterspielen 1972 grosse Erfolge einfuhr und drei Mal Gold, zwei Mal Silber und ein Mal Bronze gewann. Dass allein seine Anzüge dafür verantwortlich gewesen sein sollen, hatte Hess dabei stets vehement verneint. «Die Athleten sind die Basis zum Erfolg», erklärte er der Zeitung weiter. Doch seine Arbeit fand Aufmerksamkeit – und weil die Skin AG zu diesem Zeitpunkt noch kaum kostendeckend geführt werden konnte, unterzeichnete Hess den angebotenen Vertrag mit Descente. Dies wiederum führte in der Schweiz zu grossen Verlustängsten. Auf die von Hess entwickelten Anzüge wollte man nach den Erfolgen keinesfalls verzichten, doch war Descente zu jenem Zeitpunkt noch nicht Teil des Swiss Ski Pool. In diesen wurde die Marke bald darauf aufgenommen, und 1978 schliesslich wurde der japanische Hersteller offizieller Ausrüster der Alpinen. Und das blieb er bis heute.

Hans Hess profitierte von der Zusammenarbeit mit Descente auch wirtschaftlich. Er erhielt einen festen Lohn aus Japan, während er seine Arbeit nach wie vor im Atelier in der Schweiz verrichten konnte. 1979 schliesslich gründete er die Hans Hess Sport Engineering AG. Obschon Hans Hess in seiner bescheidenen Art stets die Athletinnen und Athleten für den Erfolg des Schweizer Alpin-Teams verantwortlich machte, ist sein grosser Anteil an den zahlreichen Errungenschaften im Weltcup sowie an Grossanlässen unbestritten. «Hans Hess war einer der Baumeister der Schweizer Über-Erfolge im alpinen Skisport – und zwar über Jahrzehnte», sagt Urs Lehmann, Präsident von Swiss-Ski. «Mit und dank Hans durften wir viele Erfolge feiern und geniessen.»

30 Sportarten profitierten

Im weiteren Verlauf seiner Karriere stattete der Pionier der aerodynamischen Sportbekleidung zahlreiche weitere Sportlerinnen und Sportler aus. Die Wirkung auf die Entwicklung der einzelnen Sportarten war und ist immens. So profitierten Radsportler:innen, Eiskunstläufer:innen, Motorradfahrer:innen, Schwimmer:innen, Skispringer:innen und viele weitere Athletinnen und Athleten aus insgesamt 30 Sportarten über Jahre hinweg von den akribischen technologischen Tüfteleien des Textilingenieurs. 1994, im Alter von 62 Jahren, beendete Hess sein berufliches Tun, ohne dabei die Ernennung eines Nachfolgers bei Swiss-Ski und im Swiss Ski Pool zu vergessen. So prägte nach gemeinsamen Jahren fortan der ehemalige Männer-Cheftrainer Karl Frehsner die Entwicklung der Rennanzüge, welcher in dieser Rolle auch massgeblich für die erfolgreiche Implementierung des 2022 vorgestellten neuen Rennanzugs LEVADA verantwortlich zeichnete.

Hess derweil setzte sich mit seiner Ehefrau Edith Hess im gemeinsamen Zuhause in Elgg ZH zur Ruhe, wobei er stets ein geschätztes und präsentes Mitglied der Swiss-Ski Familie blieb. Neben seiner Gattin hinterlässt er Sohn Arno.

Hans Hess' aussergewöhnliche Karriere und die Akribie und Leidenschaft, mit der er sich zeitlebens der Entwicklung der Sportbekleidung zugewandt hat, sind 2018 im Buch «Der Medaillen-Schneider» von Ines Rütten näher beleuchtet worden. Es erstaunt bei den Erfolgen der von Hess ausgestatteten Sportlerinnen und Sportlern wenig, trägt das Buch über den Wissenschaftler den Untertitel «Wie Hans Hess Athleten aus aller Welt zu Gold verhalf».

Swiss-Ski entbietet den Angehörigen sein tiefstes Beileid und wird Hans Hess stets ein ehrendes Andenken bewahren.