Olympia – eine logistische Herkulesaufgabe

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Der Schweizer Delegation bestmögliche Voraussetzungen in PyeongChang schaffen: Dieses Ziel verfolgt Susanne Böhlen von Swiss Olympic. Zum sechsten Mal übt sie an Olympischen Spielen die Funktion der Logistik­verantwortlichen aus. Personen, Material und Papiere stehen im Zentrum ihrer vielfältigen und anspruchsvollen Arbeit.

Wenn Athletinnen und Athleten an Olympischen Spielen brillieren, gebührt ihnen Hochachtung und sie erhalten viel Anerkennung. Damit sie am bedeutendsten Tag des Vierjahres-Zyklus ihre Bestleistung erbringen können, müssen nicht nur die physische und psychische Verfassung stimmen, sondern auch viele weitere Faktoren zusammenpassen. Einen Teil des komplexen Puzzles bildet die Logistik, welche unter anderem den Materialtransport, die Anreise, Unterkunft und Verpflegung beinhaltet. Um all dies und vieles mehr kümmert sich innerhalb der Schweizer Olympia-Delegation Susanne Böhlen.

Vier Mal vor Ort

Während bei den Sportlerinnen und Sportlern erst bei geschaffter Qualifikation und dann vor allem am Olympia-Ort so richtig Olympia-Stimmung aufkommt, so befindet sich die Logistik-Chefin von Swiss Olympic dauernd in diesem Zustand. Die Sommerspiele eingeschlossen, finden Olympische Spiele bekanntlich alle zwei Jahre statt, entsprechend arbeitet Susanne Böhlen parallel an Winter- und Sommerspielen. Die Vorbereitungen auf PyeongChang beispielsweise begannen für sie bereits an den Winterspielen 2014 in Sotschi, also zwei Jahre vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro.

«An den Spielen ist stets eine Delegation des nächsten Ausrichters vor Ort, was das Knüpfen von ersten Kontakten ermöglicht», sagt die Bernerin. «Zudem mache ich mir in Bezug auf die Logistik jeweils Gedanken zu Optimierungsmöglichkeiten und allfälligen Parallelen zwischen dem aktuellen und dem künftigen Veranstalter.» Nach Südkorea reiste Susanne Böhlen erstmals im Herbst 2015: «Primär ging es darum, einen Einblick ins Konzept zu erhalten und sich einen Überblick über Land und Kultur zu verschaffen.» Bei ihren nächsten Besuchen im Olympia-Land ging es dann um die Umsetzung.

Einen bedeutenden Aufschluss, speziell hinsichtlich der klimatischen Bedingungen, gaben die Aufenthalte im Februar 2016 und 2017: In verschiedenen Sportarten fanden Weltcup-Rennen statt, was einen aussagekräftigen Probelauf ermöglichte. Letztmals flog Susanne Böhlen im vergangenen Oktober nach Asien. «In diesen knapp acht Monaten entwickelte sich vieles. Wir konnten zum Beispiel unsere Unterkünfte anschauen. Des Weiteren brachten wir unsere Bedürfnisse vor, und ich gleiste vieles bezüglich Timing auf.»

Sieben Tonnen fünf Wochen auf See

Eine Olympia-Teilnahme erfordert also eine lange Vorbereitung. Und eine ausgeklügelte Logistik. Als Mammutaufgabe erweist sich der Transport der Sportgeräte, bei der Swiss-Ski Delegation speziell die verschiedenen Ski und Snowboards. «Die letzten Selektionen erfolgen erst nach dem letzten Rennen vom 28. Januar», sagt Susanne Böhlen und verweist darauf, dass einen Tag später in PyeongChang bereits die finale Registrierung erfolgt. Flexibilität ist gefragt. Nicht nur beim Gepäcktransport, sondern auch bei den Flügen und der Unterkunft. Ein erster Teil des Materials befindet sich seit Ende November auf der Reise und kommt Anfang Januar nach knapp 20 000 Kilometern und fünf Wochen auf See an der Küste des Japani- schen Meeres in Busan an. Die Ladung des in Rotterdam verschifften Containers mit nahezu 30 Paletten beträgt rund sieben Tonnen und beinhaltet eine Vielzahl, für die Luftfracht heikle Güter. So zum Beispiel Skiwachs, Spraydosen und Medikamente.

 Den Inhalt jeder Kiste mussten wir fein säuberlich deklarieren und die medizinischen Geräte sowie Medikamente bei den Behörden zusätzlich anmelden.

Susanne Böhlen, Logistikverantwortliche Swiss Olympic

Vorab angemeldet werden müssen zum Beispiel auch der Gebrauch von Funkgeräten und der Aufbau eines eigenen Wifi-Netzes im Büro von Swiss Olympic und in den Appartements im olympischen Dorf. Generell würden für Olympische Spiele aber Sondergenehmigungen gelten, so Susanne Böhlen. «Für eingeführte Waren, welche wir wieder aus dem Land nehmen, brauchen wir keine Zollgebühren zu bezahlen.» So zum Beispiel für die 60 Slalomstangen zu Trainingszwecken oder die Handys für die interne Kommunikation des Staffs.

Ausserordentliche Dokumente für die Ein- und Ausreise benötigt auch die Schweizer Delegation mehrheitlich nicht. «Die vorab zugestellte Akkreditierung gilt quasi als Visum», erklärt die Logistik-Chefin. Angegeben werden müssen jedoch die im medizinischen Bereich tätigen Personen. «Wir müssen nachweisen, dass diese berechtigt sind, Menschen zu behandeln.» Die Sportlerinnen und Sportler ihrerseits sind verpflichtet, je eine Vereinbarung – mit unter anderen verschiedenen Verhaltensgrundsätzen – seitens Swiss Olympic und des Internationalen olympischen Komitees zu unterschreiben.

Mit Flugzeug und Bus

Die An- und Abreise erfolgt gestaffelt und individuell, wegen der Zeitverschiebung in jedem Falle aber frühzeitig. Im Zeitraum von Ende Januar, wenn auch die letzte Flugfracht aufgegeben  wird,  bis  zur  Eröffnungsfeier am 9. Februar befinden sich fast täglich Angehörige der Schweizer Olympia-Vertretung in einem Flugzeug der Korean Air. «Der Grossteil fliegt von Zürich aus direkt nach Seoul, einzelne aus Amerika oder Japan – gerade wo sie unterwegs sind», so Susanne Böhlen. «Die einen bleiben noch eine oder zwei Nächte in der südkoreanischen Hauptstadt, ehe sie weiter an den Olympia-Ort dislozieren; andere wie zum Beispiel die Langläufer trainieren vor dem Wettkampfeinsatz schon eine Woche in der Olympia- Loipe.»

Mit Korean Air wurde vereinbart, dass die Sportlerinnen und Sportler je sechsmal 23 Kilogramm Gepäck mitführen dürfen. Manche schöpfen dieses Gewicht aus, manche nicht. «Es gilt dafür zu sorgen, die Gepäckstücke möglichst ausgeglichen auf die Flüge zu verteilen und bei Bedarf einzelnen Personen ein ‹fremdes› Gepäck mitzugeben.» Bei der Ankunft auf dem internationalen Flughafen in Seoul werden Material und Gepäck in Last- wagen verladen und an den jeweiligen Ort transportiert. Die Angehörigen der offiziellen Olympia-Delegation werden mit Bussen transportiert, das übrige Olympia-Volk steigt auf den Zug um.

Aus Planungsgründen gibt Susanne Böhlen dem Organisationskomitee Mitte Dezember eine erste An- und Abreiseplanung ab. Deren Inhalte: Wer kommt wann von wo, wo geht er/ sie hin, was bringt er/sie mit. Bis jetzt sei die Zusammenarbeit sehr gut verlaufen und es habe kaum Verständigungsschwierigkeiten gegeben, so die 45-Jährige.

 Wenn man sich ausserhalb von Olympia bewegt, kann es aber durchaus vorkommen, dass die Einheimischen kein Englisch sprechen und man deswegen auf sich allein gestellt ist.

Susanne Böhlen

Darauf, wie auch auf den kulturellen Unterschied müssten sich die Sportlerinnen und Sportler einstellen. Susanne Böhlen selber mag ab und zu Unvorhergesehenes. «Es fordert mich zusätzlich und verlangt Offen- sowie Gelassenheit.» Nach mehr als zehnjähriger Tätigkeit als Logistikverantwortliche bei Swiss Olympic – sie kümmerte sich bereits um die Olympischen Spiele in Peking,Vancouver, London, Sotschi und Rio de Janeiro – braucht es einiges, um sie aus dem Konzept zu bringen. «Die Emotionen seitens der Sportlerinnen und Sportler, seien es Glücksgefühle nach einem Erfolg oder Tränen nach einer Enttäuschung, machen den Einsatz aber auch nach dieser langen Zeit immer noch sehr einmalig und speziell.»

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