Debakel statt Spektakel

Zurück

Ein windbedingtes Sturzfiasko überschattete den olympischen Slopestyle-Wettkampf der weltbesten Boarderinnen. Die Schweizerinnen ärgerten sich im Kollektiv und zu Recht über die irregulären Verhältnisse.

Während der Flutlichtsession der Buckelpisten-Akrobatinnen hatte sich der Phoenix Snow Park in einen XXL-Eisschrank verwandelt, tags darauf mutierte die Anlage zum grössten Windkanal der Region. Die unvorteilhaften Wetterverhältnisse beeinträchtigten den Wettkampf der Slopestylerinnen erheblich. 24 Stunden nach der windbedingten Absage der Qualifikation taten die Organisatoren dem 25-köpfigen Teilnehmerfeld keinen Gefallen, kompromisslos am (TV-)Programm festzuhalten.

Ausser der topklassierten US-Favoritin Jamie Anderson, der ersten Snowboard-Doppel-Olympiasiegerin und eigentlichen Yoga-Queen der Schneesportkarawane, sowie der aktuellen kanadischen Weltmeisterin Laurie Blouin fand keine der Direktbeteiligten Gefallen am Morgen der unzähligen Zufälle, gefährlichen Böen und kaum abzuschätzenden Risiken. Die Faktenlage zu einem für olympische Verhältnisse unwürdigen Trauerspiel: 32 von 50 Runs endeten am Finaltag mit einem Sturz.

Für 88 Prozent der Riderinnen, also alle ausser dem Top-Trio, stand die Begrenzung des persönlichen Schadens im Vordergrund. Vom Schweizer Quartett kam dem Podium einzig Sina Candrian zumindest rechnerisch vorübergehend nahe; im ersten Durchgang erreichte sie trotz ihrer Safety-first-Strategie Position 4.

Im entscheidenden Run verflüchtigte sich die leise Medaillenhoffnung der routinierten Flimserin rasch einmal. Ihr zweiter Sprung endete mit einem harten Aufprall auf den Hinterkopf. Sie war nicht an sich, sondern an einem unsichtbaren, tückischen Gegenspieler gescheitert - der Wind machte vier Jahre Vorbereitung innerhalb von Sekunden zunichte. "Es war ein reines Abwägen. Losgelöst zu fahren ging nicht", so Candrian.

Alle übrigen Schweizerinnen taten sich noch schwerer. Die Ex-Weltmeisterin Elena Könz beispielsweise umfuhr im ersten Anlauf sämtliche Kicker grossräumig. "Für mich war in dieser Situation der gesunde Menschenverstand entscheidend. Man war den Böen ausgeliefert", begründete sie ihre nicht ganz alltägliche Linienwahl; sie habe nicht ihr Leben aufs Spiel setzen wollen.

"Es ist sehr enttäuschend, wenn das hier der Höhepunkt sein soll", ärgerte sich Isabel Derungs. Repräsentativ sei die Veranstaltung für das Slopestyle-Borden der Frauen nicht gewesen. "Es war eigentlich wichtiger, gesund unten anzukommen", bilanzierte die Nummer 8 der Winterspiele vor vier Jahren in Russland.

Wo man sich umhörte, zielten die Statements in die gleiche Richtung: Ein prickelndes Rendez-vous der Stars der Freestyle-Szene fand nicht statt, sondern ein eigentliches Slopestyle-Debakel mit unkalkulierbaren Herausforderungen. Die Schweizer Trainerin Isa Jud redete angesichts der irregulären Verhältnisse Klartext: "Es war kein fairer Wettkampf. Ich verstehe nicht, weshalb man sich nicht zu einer weiteren Verschiebung durchringen konnte."

Beim nächsten Meeting der Teamchefs wird sich Swiss-Ski deutlich zu Wort melden. "Das gibt ganz bestimmt eine sofortige Rückmeldung", kündigte Jud an. "Nicht eine Teilnehmerin zeigte ihre besten Tricks. Mir tut leid, dass nicht eine der Frauen auch nur im Ansatz zeigen konnte, was sie draufhaben." Sie erhoffe sich künftig auf einer derart wichtigen Bühne mehr Spielraum für zeitliche Umdisponierungen.