«Es ist ein stetes Abwägen» – Nathalie Gröblis steiniger Weg zurück auf die Skipiste

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Anfang Februar wurde der Aufstieg von Nathalie Gröbli jäh gestoppt. Die 23-jährige Nidwaldnerin erlitt bei einem schweren Sturz im Training zur Weltcup-Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen nicht nur eine offene Unterschenkel-Fraktur im linken Bein, sondern auch eine komplexe Knieverletzung. Im Interview äussert sich die A-Kader-Athletin unter anderem über ihre Reha-Zeit, bereits erreichte Etappenziele, ihren Austausch mit den Teamkolleginnen und über ihre Banklehre.

Nathalie, wie geht es dir knapp fünf Monate nach dem folgenschweren Sturz in Garmisch-Partenkirchen?

Ich bin sehr zufrieden, wie es im Moment läuft. In den letzten beiden Wochen ging es deutlich vorwärts. Das Knie ist sehr stabil. Seit zwei Wochen darf ich beim Gehen wieder belasten. Die Krücken brauche ich nur noch, wenn ich weite Strecken zurücklege.

War wegen der Komplexität der Verletzung eine weitere Operation nötig?

Insgesamt wurde ich dreimal operiert. Das erste Mal vor Ort in Garmisch am Schien- und Wadenbein. Zehn Tage später folgte die Operation am linken Knie an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich. Es waren beide Kreuzbänder sowie das Innenband gerissen, die Patellasehne angerissen und der Meniskus gerissen. Mitte April hat dann die dritte Operation stattgefunden, bei welcher die ersten Schrauben im Knie herausgenommen worden sind.

In deiner noch jungen Karriere musstest du bereits das zweite Mal eine schwere Verletzung wegstecken. Im Dezember 2015 hast du dir einen Kreuzbandriss zugezogen. War diese Erfahrung im Hinblick auf die Reha eher förderlich oder hinderlich?

Es war beides. Einerseits hat es extrem geholfen. Während der Lockdown-Zeit wusste ich, was während der Physiotherapie daheim auf mich zukommt und wie ich damit zurechtkommen werde. Andererseits ging es bei der Kreuzbandverletzung deutlich schneller vorwärts. Diesmal brauche ich nach fünf Monaten noch Stöcke, damals stand ich nach einem halben Jahr wieder auf den Ski.

Plötzlich lernt man wieder Dinge schätzen, die früher selbstverständlich waren.

Nathalie Gröbli über ihr erstes Training mit dem Bike nach der Verletzung

Bis zu deiner Verletzung zeigte deine Formkurve nach oben, im Januar hast du in Altenmarkt-Zauchensee als Achte in der Kombination dein bislang bestes Weltcup-Ergebnis realisiert. Mittlerweile bis du vom B- ins A-Kader von Swiss-Ski aufgestiegen. War das ein willkommener Motivationsschub auf dem Weg zurück?

Auf jeden Fall. Es war extrem schön, dass es mit dem Erreichen dieses sportlichen Ziels, dem Aufstieg ins A-Kader, doch noch geklappt hat. Zupass kam mir dabei, dass die letzte Weltcup-Kombination des Winters abgesagt werden musste.

War dir unmittelbar nach dem Sturz sofort bewusst, wie schwerwiegend die Verletzung ist?

Ja, eigentlich schon. Ich hatte sehr starke Schmerzen und sah, dass Schien- und Wadenbein gebrochen sind. Ich wusste von Kolleginnen, was das bedeutet – nämlich mehr als ein Jahr lang aussetzen.

Welche Gedanken hattest du auf dem Heimflug mit der Rega?

Ich wurde im Spital in Garmisch sehr gut betreut, wofür ich dankbar bin. Aber ich war froh, wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Das tat gut. Schon bei meiner Kreuzbandverletzung war ich an der Universitätsklinik Balgrist operiert worden. Von daher wusste ich, dass dort ein super Job gemacht wird.

Wie häufig bist du im Austausch mit deinen Teamkolleginnen, die bereits erste Trainingstage auf Schnee absolviert haben?

Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass sich so viele gemeldet haben. Einige Teamkolleginnen, die in der Nähe wohnen, habe ich auch schon wieder gesehen. Katja Grossmann, eine sehr gute Kollegin von mir, hat sich vor einiger Zeit ebenfalls das Schien- und Wadenbein gebrochen. Mit ihr habe ich viel Kontakt.

Ich hätte ohnehin nicht die Energie gehabt, draussen etwas zu unternehmen.

Nathalie Gröbli über die Lockdown-Zeit

Wie sieht dein Reha-Alltag derzeit aus?

Seit es wieder möglich ist, bin ich zwei Tage pro Woche im move>med in Zürich für die Reha. Während des Lockdowns habe ich diese zuhause absolviert. Daneben arbeite ich mit einem 40-Prozent-Pensum für die Raiffeisenbank Nidwalden im Bereich Firmenkunden. Darüber bin ich sehr froh. Wir haben dort ein super Team, und mein Kopf kann mal an etwas anderes denken. Diese Woche absolviere ich die letzte praktische Prüfung und schliesse so meine Banklehre ab.

Inwiefern hat dir die Lockdown-Zeit zu schaffen gemacht?

Ehrlich gesagt, hat es mich nicht gross tangiert. Ich hätte ohnehin nicht die Energie gehabt, draussen etwas zu unternehmen. Schade war natürlich, dass ich keine Leute treffen konnte. So habe ich einfach häufiger telefoniert.

Was kannst du in Bezug auf Sport bereits alles machen?

Vor einigen Tagen sass ich erstmals seit langer Zeit mal wieder draussen auf dem Velo. Ich legte eine relativ flache Strecke zurück, ohne grosse Hügel. Es war ein unglaublich tolles Gefühl. Plötzlich lernt man wieder Dinge schätzen, die früher selbstverständlich waren.

Wie sieht dein Fahrplan für die kommenden Wochen aus?

Es gilt, Schritt für Schritt zu nehmen. Die Ärzte geben keine Prognosen. Es ist ein stetes Abwägen, wie es geht, wenn ich mehr mache. Ein nächstes Ziel ist das Laufen ganz ohne Krücken, zudem gilt es, die Beinmuskulatur wieder aufzubauen.