«Wollte mich nicht um die Chance bringen, Olympia noch einmal zu erleben»

Zurück

Mario Dolder startete vor einem Jahr fulminant in die Saison und realisierte in Östersund als Sechster im Sprint eine persönliche Bestleistung. Heuer findet der Weltcupauftakt nicht in jener mittelschwedischen Stadt statt, sondern in Pokljuka – mit gutem Grund: Östersund ist vom 7. bis 17. März 2019 Austragungsort der Weltmeisterschaften. Bevor er die Titelkämpfe in Angriff nehmen wird, strebt Dolder in der Weltcup-Gesamtwertung den Vorstoss unter die Top 30 an – ein «ambitioniertes, aber gleichzeitig auch realistisches Ziel», wie der Baselbieter sagt.

Mario, wie bist du als Baselbieter und damit Flachländer überhaupt zum Biathlon-Sport gekommen?

Mario Dolder: «Als ich noch ein Kind war, gab es jeweils auch bei uns noch Schnee. (lacht) In Zeglingen, von wo ich herkomme, haben wir einen Skilift und eine Langlauf-Loipe. In unserem Dorf hat Langlauf schon eine gewisse Tradition, von daher ist dies keine aussergewöhnliche Sportart bei uns. Der Zugang zum Biathlon hat sich dann ein wenig zufällig ergeben. Während eines Jugendlagers in Realp haben wir das ausprobieren können. Da hat es mich gepackt. Wir waren drei, vier Leute aus der Region, welche die gleichen Interessen hatten. So hat es sich mit dem Biathlon ergeben – und bis heute hat mich dieser Sport nicht mehr losgelassen. Als Kind macht man einfach, was einem Freude macht. Da gibt es keine grundlegenden Gedanken dahinter.»

Du studierst an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz Bauingenieurwesen. Wie bringst du Studium und Spitzensport unter einen Hut?

«Ich mache ein Teilzeitstudium im Umfang von 50 Prozent und kann dank flexiblen Prüfungsdaten im April und Juni Prüfungen ablegen. Bis zum Abschluss dauert es nun noch zwei Jahre. Bislang läuft alles nach Plan, das Studium ist für mich eine willkommene Abwechslung. Insbesondere im Winter bin ich froh, etwas anderes abseits der Loipen und Schiessstände machen zu können. Es braucht allerdings viel Selbstdisziplin. Letztlich gibt mir das Studium auch eine gewisse Sicherheit, sollte es mit dem Biathlon irgendwann einmal nicht mehr passen.»

Ich bin viel motivierter wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen

 

Hast du auf diese Saison hin Anpassungen in der Vorbereitung vorgenommen?

«Von Mai bis Mitte Juli habe ich alleine trainiert. Es war das erste Mal, dass ich mich für eine solch lange Zeit vom Team ausgeklinkt habe. Dies hatte aber vor allem private Gründe, im Frühjahr habe ich geheiratet. Gleichzeitig wollte ich aber auch einmal einen neuen Jahresablauf haben, denn in den vergangenen zehn Jahren lief es zu Beginn der Vorbereitung immer etwa gleich ab. Diesmal konnte ich trainieren, wo ich wollte und was ich wollte. Im Frühling kann man nicht allzu viel falsch machen. Da geht es primär darum, die nötigen Trainingsstunden beisammen zu haben. Für den Kopf war es etwas Neues. Dadurch bin ich viel motivierter wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen.»

Auf was hast du den Fokus im Training gelegt?

«Ich habe versucht, den bisherigen Weg weiterzugehen. Phasenweise hat es letzte Saison sehr gut funktioniert. Das war für mich die Bestätigung, dass die Richtung stimmt. Ich bin mit meiner Vorbereitung sehr zufrieden, denn ich blieb verletzungsfrei und wurde auch von anderen gesundheitlichen Rückschlägen verschont.»

Die letzte Saison stand im Zeichen der Winterspiele in PyeongChang. Deine erste Olympia-Teilnahme verlief allerdings überhaupt nicht nach Wunsch, du bist deutlich unter den eigenen Erwartungen geblieben. Dauerte es nach der Saison lange, bis du diese Enttäuschung verarbeitet hast?

«Es hat auf jeden Fall einiges gebraucht, ja. Olympia war seit mehreren Jahren ein Ziel von mir. Die Spiele in Sotschi habe ich als erster Ersatzläufer knapp verpasst. Und man weiss ja nie, ob es die letzten Olympischen Spiele sind. Man pusht sich in den Trainings, um bei Olympia fit zu sein – und dann funktioniert es überhaupt nicht. Da hatte ich zwischenzeitlich schon eine Motivationskrise. Ich habe dann jedoch eine Auslegeordnung gemacht und war der Meinung, dass sehr viel möglich ist, wenn es läuft. Schliesslich wollte ich mich nicht um die Chance bringen, Olympische Spiele noch einmal zu erleben.»

Die Weltmeisterschaften in Östersund sind das Highlight in der anstehenden Saison. Mit der WM-Stadt 2019 verbindest du gute Erinnerungen, nämlich dein Debüt im Weltcup und dein bestes Ergebnis auf dieser Stufe, einen 6. Platz vom Vorjahr im Sprint. Gibt das einen zusätzlichen Schub, wenn man an einen solchen Ort zurückkommt?

«Ich sage immer: Lieblingsorte sind gut, man darf einfach keine Orte haben, die man überhaupt nicht mag. Denn dann müsste man es an diesen gar nicht erst mit einem Wettkampf versuchen. Aber es ist immer gut, wenn man irgendwo schon einmal ein positives Erlebnis hatte. Man reist mit einem guten Gefühl dorthin, man weiss, dass man es in diesem Stadion schaffen kann.»

Und nun geht es zunächst darum, möglichst rasch die Selektionsvorgaben für die WM zu erfüllen?

«Ich versuche, die gesamte Saison zu betrachten. Ich will im Gesamtweltcup einen Schritt nach vorne machen und in die Top 30 vorzustossen. In den letzten drei Jahren habe ich mich jeweils in der Region der Ränge 40 bis 50 bewegt. Wenn mir diese Verbesserung gelingt, dann kommt das WM-Ticket automatisch. Die Top 30 sind sicherlich ambitioniert, aber auch realistisch, wenn es mir gelingt, regelmässig in die Punkteränge zu laufen und weniger Rückfälle zu haben.»