Roth und Roth

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Noé Roth

Fliegen und träumen. Die wunderbare Momentaufnahme der Schweizer Skiakrobatik-Dynastie Roth. Freestyle pur, Passion ohne Ende. In Südkorea folgt nun eine ganz besondere Geschichte, die vor 17 Jahren an einem Pool begonnen hat.

Roth und Roth, Michel und Noé. Der eine ist ein Saurier der Skiakrobatikszene, der Filius zarte 17. Der Vater lässt das Barthaar wuchern, der Sohn trägt Flaum und hat Flausen im Kopf. Zum achten Mal Olympia, das Debüt. Michel Roth coachte Goldmedaillengewinner, der Jüngste in der Aerials-Family träumt primär vom Fliegen - für die grossen Schlagzeilen in seinem Sport bleibt noch Zeit.

"Ich habe mehr Interviews gegeben als während meines ganzen Lebens." So in etwa erklärt das grösste Schweizer Talent den Unterschied zum Alltag. Mehr Energie kostet Olympia ihn bislang nicht. Mehr Anspannung spüre er nicht, behauptet das schüchterne, aber kecke Bürschchen vor einer Runde von Journalisten in Südkorea. Zu verlieren habe er ja nichts: "Ich will einen guten Sprung zeigen und landen - dann ist gut."

Woher die Coolness? Der Papa werde nicht so schnell nervös. "Und ich eigentlich auch nicht." Der Drang zum Höhenflug gehört zur DNA der Familie. Colette Brand, Michels Ehefrau, gewann 1988 in Calgary im Jahr der Olympischen Sommerspiele in Seoul auf der Schanze Bronze. "Die Eleganz in der Luft hat er von Colette."

Den Sport atmete Noé schon als Kleinkind ein. Im Laufgitter verbrachte das Bübchen am Becken des Wassersprungzentrums in Mettmenstetten Stunde und Tage. "Ich habe den Kleinen überall mitgenommen", erinnert sich Michel Roth. Im Alter von sechs folgte das Sommerwettkampfdebüt, ein Jahr später drehte der Sprössling im Schnee den ersten Vorwärtsflip, mit 13 kam der Doppel-Salto dazu.

Sein exzellentes Gefühl bei den Rotationen hat sich Noé von Grund auf erarbeitet. Jahrelang durchlief er die pickelharte Kunstturnschule und liess die Tiraden klassischer Drillmeister über sich ergehen. Tempi passati, das Pauschenpferd ist Geschichte, der Gaul geht mit ihm anderswo durch - zum Beispiel in Ponte Brolla, wenn er sich von einer Klippe 20 Meter in den Abgrund Richtung Maggia stürzt.

"Er fliegt und springt einfach gern. Das war schon immer so." Die Augen des Vaters glühen, der Junge nickt verschmitzt. Manchmal muss der Routinier den Rookie bremsen. Deshalb vereinbarten die beiden einen Deal: Dreifachsprünge erst nach der Olympia-Qualifikation. Gesagt, getan. Seither wird täglich rotiert. "Bis der Boden wieder kommt", sagt der Coach. "Das war schon immer mein Traum", ergänzt der Schüler.

In Bokwang zeigt der Junioren-WM-Dritte den Full-Full-Full. Evelyne Leu gewann mit exakt dieser dreifachen Salto-Schrauben-Combo 2006 in Turin Olympia-Gold. So weit wird ihn der Trick selbstredend nicht tragen, aber unter idealen Umständen nahe an die Top 12.

Anschauungsunterricht wird ihm auch intern geboten. Teamkollege Dimitri Isler hat neu einen Trick im persönlichen Repertoire, den nur Weltklasse-Springer zu bieten haben: den Double-Full - Double-Full - Full, fünf Schrauben, drei Flips. Mehr geht nicht. Noch staunt das Talent, aber irgendwann muss der Coach am Familientisch die nächste Abmachung eingehen.

Vorerst müsse Noé "cool bleiben", gibt der Chef den Flugplan vor. Und nach Pyeongchang ist vor dem nächsten Schaukampf der besten Nachwuchsleute. Am 24. Februar traut Michel Roth dem KV-Lehrling an der WM in Minsk den ersten Titelgewinn zu: "Wenn alles perfekt passt, gewinnt er Gold."