Innert 13 Monaten vom Nobody zum Olympia-Debütanten

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Vor nicht einmal einem Jahr hatte sich Nicolas Huber in den Fokus der Öffentlichkeit katapultiert. Er gewann beim WM-Debüt in der Sierra Nevada Silber im Slopestyle - und mit seiner erfrischenden, offenen Art die Gunst des Publikums.

Die jüngeren Zuschauer erkennen sich im 23-jährigen Zürcher Lebemann und dessen Äusserungen "frisch von der Leber weg" vielleicht zu einem gewissen Teil selber. Manch einer der älteren hat beim Betrachten der Bilder und Hören der ehrlichen Aussagen Hubers womöglich ein Flashback. Vielleicht fühlt sich jene Generation in die "guten alten Zeiten" des Snowboardens zurückversetzt, als (Life-)Style auf und neben der Piste mindestens so wichtig war wie Akrobatik und Resultate.

Man würde Huber indes unrecht tun, ihn nur als "Freestyler der alten Schule" zu bezeichnen. Dass er dem Klischee aber durchaus entspricht, hat seine Gründe. Das Snowboarden auf hohem Niveau hat er sich selber beigebracht, er war im Gegensatz zu all seinen Teamkollegen nie Teil einer Verbandsstruktur. Entsprechend "freestyle" sahen gewisse Bewegungsabläufe von Huber aus - und mussten justiert werden.

Erst seit dieser Saison hat der Männedorfer, WM-Medaille sei Dank, als Mitglied der Nationalmannschaft einen offiziellen Kaderstatus. Davor war er nach Abschluss der Matura in verschiedenen Schweizer Snowboard-Parks als "Shaper" unterwegs gewesen. Er hat als Unterhalter der Infrastruktur den Profis und Halbprofis gewissermassen das Feld bestellt und die Freizeit dazu genützt, seine eigenen Fähigkeiten stetig zu verbessern.

"Es ist schon beeindruckend, dass er als Autodidakt diverse Tricks ohne die Hilfe eines Trainers gelernt hat", sagt Slopestyle-Coach Dani Wieser, der mit Huber viel an der sauberen Ausführung der Manöver und an "Basics" gearbeitet hat. Das eigentlich Erstaunliche an der bemerkenswerten Entwicklung ist für Wieser, dass Huber ein Wettkampf-Typ ist, ohne die eigentliche Erfahrung zu besitzen. "Er fährt meistens besser als im Training, wenn es zählt."

Nun kann Wiesers Schützling, keine 13 Monate nach seinem Weltcup-Debüt in Laax, im olympischen Slopestyle von seinem Wissen als Parkbauer profitieren. "Man fährt und schaut anders", erzählte Huber ein paar Tage vor seinem Olympia-Debüt. "Vielleicht hilft mir meine Biografie tatsächlich."

Überhaupt ist dieser Lebenslauf ein spezieller, erst recht in der heutigen Zeit, in der im Sport vieles ab der frühesten Jugend in geordnete Bahnen zu lenken versucht wird. Mal stand sich Huber selber im Weg, etwa mit zwei Schlüsselbeinbrüchen im Winter 2015/16 und im folgenden Sommer, oder mit seinem Vollgas-Stil auf mancher Lebenslage.

Dann hätte der Sohn eines ranghohen Armeeangehörigen nach seinem Weltcup-Debüt am 20. Januar 2017 in Laax und wenige Wochen vor dem WM-Exploit in der Sierra Nevada beinahe seine kurze Karriere beendet. "Ich wollte per 1. Februar in die Grenadier-Rekrutenschule einrücken", erzählt Huber. "Sacha Giger (Snowboard-Chef von Swiss-Ski) hat aber einen Brief verfasst, in dem er darauf hinwies, dass ich es vermutlich ins WM-Kader schaffen werde." Zum Glück, denn der Rest der Geschichte ist bekannt. "Und ich im Militär, das wäre eh nicht gut gekommen."

Nach nur fünf Weltcup-Starts, unter anderem dem 4. Rang Anfang Dezember 2017 am Big Air von Mönchengladbach, kam für Huber alles gut. Das heisst mehr, als er sich jemals erträumt hätte. "Vor drei Jahren, als ich ernsthaft zu fahren begann, hatte ich den Traum, mal national vorne mitzufahren. Aber ich hätte nie gedacht, dass es für eine Olympia-Teilnahme reichen würde."

Huber darf sich auf dem gemäss Trainerurteil besten Slopestyle-Kurs aller Zeiten (Pepe Regazzi: "perfekt designt und gebaut wie in einem Game") mit den Besten messen. Das grosse Ziel ist wie für seine drei Teamkollegen Moritz Thönen, Michael Schärer und Jonas Bösiger der Einzug in den Final der Top 12 vom Sonntag. "Und dort wäre ein Top-8-Resultat lässig", so Huber. "Ich habe gehört, das gäbe ein Diplom."