Erster Europacup-Triumph: Franjo von Allmen auf dem Weg nach oben

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Von Allmen als Bester von allen: Der Traum des Boltigers führt ihn dereinst auf das Olympia-Podest.

An der Junioren-WM ist er vergangenes Jahr mit drei Silbermedaillen zur grossen Figur des Schweizer Teams avanciert. Nun fährt Franjo von Allmen im Training bereits den routinierten Teamkollegen um die Ohren und erreichte mit dem Sieg in Orcières seinen ersten Podestplatz im Europacup. So rasant der Berner Oberländer auf der Piste unterwegs ist, so schnell soll ihn sein Weg wunschgemäss in den Weltcup führen, wie er im Interview vor der Saison erzählte.

Plötzlich war er der Silberjunge. Gleich in drei Disziplinen ist es Franjo von Allmen im März des vergangenen Jahres gelungen, an den alpinen Junioren-Weltmeisterschaften in Panorama (Kanada) den 2. Platz herauszufahren. In der Abfahrt, im Super-G und in der alpinen Kombination durfte sich der Berner Oberländer jeweils die Silbermedaille umhängen lassen. Eine Überraschung war das Silber-Triple für den 21-Jährigen, der zu diesem Zeitpunkt bereits zweimal in die Top Ten eines Europacup-Rennens gefahren war, keinesfalls. Er habe es zwar nicht so kommuniziert, erzählt Von Allmen offen, aber «ich hatte mir drei Medaillen vorgenommen». Und das kam nicht von ungefähr. Vor der Abreise nach Kanada hatte er Vergleiche mit den gleichaltrigen Athleten gezogen, die ebenfalls bereits im Europacup unterwegs waren. Das habe ihm eine ungefähre Ahnung gegeben, wo er stehe. «Ich darf kaum sagen, dass ich mit dem Ziel hingegangen bin, mit drei Medaillen wieder nach Hause zu reisen. Aber dass es letztlich so aufgegangen ist, ist natürlich umso cooler.»

Aus Boltigen ins Rampenlicht

Die drei Silbermedaillen waren ein Ausrufezeichen – nicht nur für ihn selbst, sondern auch für die Öffentlichkeit. Erste Medientermine sowie mehr Popularität im Dorf und darüber hinaus waren die Folgen seines Erfolgs in Übersee. «Sonst bin ich noch immer derselbe», sagt Von Allmen lachend. «Ich probiere, immer bodenständig zu bleiben – denn bis zu meinem grossen Ziel, dem Weltcup, ist es noch ein weiter Weg.»

Ganz so lang allerdings soll dieser gar nicht mehr sein. Das wird klar, wenn Von Allmen seine Träume für die bevorstehende Saison anspricht. «Mein Ziel ist es, mich im Europacup zu etablieren», sagt der passionierte Motocross-Fahrer, der sich in den vergangenen Jahren auf der Piste in Richtung Speed entwickelt hat, im Interview vom vergangenen Oktober. Und das hat er mittlerweile erreicht: Zwei 5. Plätze, ein 4. Platz und nun der Sieg in der Abfahrt von Orcières sprechen Bände. 

Und doch spienzelt er bereits auf die nächsthöhere Stufe. «Ein sehr hoch gestecktes Ziel ist weiter, einen Fixplatz für den Weltcup herauszufahren, also am Ende der Saison in den Top 3 des Europacups zu sein.» Der Boltiger findet selbst, dass dieses Vorhaben ambitioniert ist für seine «erste richtige Saison im Europacup». «Aber es ist besser, hohe Ambitionen zu haben, als ein Ziel, das du zu einfach erreichen kannst.»

Früh dem Skifahren verschrieben

Dass sein Traum von einem Weltcup-Debüt in diesem Winter durchaus realistisch ist, zeigen die Resultate des vergangenen Sommers. Bei Speed-Trainings in Zermatt fuhr Von Allmen selbst routinierten Teamkollegen um die Ohren. «Das gibt natürlich Selbstvertrauen», erzählt er. «Aber darauf kann man sich nicht ausruhen. Ein Beat Feuz beispielsweise kann auf das Rennen hin noch einmal eine Schippe drauflegen, was mir wohl nicht in demselben Ausmass gelingen wird.»

Der B-Kader-Athlet kann allerdings durchaus am Tag X abliefern – das hat er an der Junioren-WM gleich dreimal unter Beweis gestellt. Übung darin hat er viel: Mit dem Skifahren angefangen hat Franjo von Allmen bereits im Alter von zwei Jahren. Auf dem Boltiger Hausberg, dem Jaunpass, zog er schon früh Schwünge in den Schnee. Bald war er in der JO, wo er von seinem Onkel trainiert wurde – bis er irgendwann vor dem Entscheid stand: Ski oder Beruf. «Für mich war klar, dass ich weiterhin Sport machen wollte.» Doch gleichzeitig wusste er auch, dass er sich handwerklich betätigen möchte. So startete er die vierjährige Ausbildung zum Zimmermann. Dass er den Sport und die Lehre miteinander verbinden konnte, verdankt er auch seinem Lehrbetrieb, der Zimmerei Schletti AG in Zweisimmen. «Schon Noel von Grünigen hat seine Ausbildung dort gemacht. Von daher hat der Chef gewusst, worauf er sich einlässt. Ich habe viele Freitage erhalten zum Trainieren und zum Rennfahren.» Den Entscheid, den Sport mit der Ausbildung zu kombinieren, hat er nie bereut. Bis heute ist er begeisterter Zimmermann. «Wenn ich mal ein paar Freitage habe, bin ich nach wie vor ab und zu im Betrieb.»

Momente des Zweifelns

Franjo von Allmens Weg erscheint heute beinahe bilderbuchmässig. Doch auch Zweifel begleiteten seinen Werdegang. «Sie kommen meist dann auf, wenn es nicht gut läuft», sagt er offen. Und auch als sein Vater 2019 verstorben ist, liess ihn dies kurzzeitig alles infrage stellen. Nach der Nachricht des Todes, die ihn in einem Ski-Camp erreicht hat, war das Skifahren von einem Moment auf den anderen ganz weit weg. «Alles stand still.» Doch fand Von Allmen darin nach kurzer Zeit auch ein Ventil. «Ich habe versucht, möglichst bald wieder zu arbeiten und Ski zu fahren, um für Ablenkung zu sorgen», erzählt er. «Letztlich habe ich mich entschieden, weiterzufahren. Ich bin überzeugt, dass das der richtige Entscheid war.»

Es ist besser, hohe Ambitionen zu haben, als ein Ziel, das du zu einfach erreichen kannst.

 

Auf die Unterstützung seiner Familie konnte Von Allmen nicht nur in dieser schwierigen Phase zählen. Mit seinem älteren Bruder Kilian pflegt er ein enges Verhältnis, mittlerweile wohnen die beiden gemeinsam mit einem Freund in einer 3er-WG. Auch wenn er und sein Bruder als Skifahrer und Inhaber eines Baggerunternehmens nicht oft zuhause seien, funktioniert die Konstellation gut, erklärt Von Allmen. «Das Zusammenleben ist cool und macht Spass.» Für die Lacher zuhause ist häufig er selbst verantwortlich – wenn auch nicht ganz freiwillig. «Ich bin extrem tollpatschig», gibt er lachend zu. «Wenn ich irgendwo einen Kaffee oder ein Getränk bestelle, schütte ich es ganz sicher früher oder später aus.»

Mental noch stärker werden

Während er anderes verschüttet, schenkt er sich hinsichtlich seiner Karriere selbst ausschliesslich reinen Wein ein. Von Allmen ist überzeugt, dass seine ruhige und zurückhaltende Art ihm in gewissen Situationen hilft und ihn nicht nervös werden lässt. Im mentalen Bereich sieht er bei sich jedoch Entwicklungspotenzial. Es gebe technische Sachen, die noch nicht immer funktionieren würden. «Aber ich denke, dass dies auch oft mit der Überzeugung im Kopf zu tun hat. Teilweise fehlt mir noch das Selbstvertrauen.» Etwa dann, wenn sich eine Kurve direkter fahren liesse, er sich aber fürs Andriften entscheidet. «Ich bin zu vorsichtig und werde dadurch fehleranfälliger. Ich traue es mir zu wenig zu, und es ist teilweise noch zu wenig Überzeugung da, dass es funktionieren würde.»

Im Verlauf der Saison hat Franjo von Allmen weiterhin die Chance, im Ernstkampf Selbstvertrauen zu tanken. Er freue sich auf jedes Rennen, sagt er – kann er doch mit jedem Erfahrung sammeln, um sich womöglich irgendwann seinen Bubentraum zu erfüllen: eine Olympia-Medaille zu gewinnen. «Da fiebert man lange darauf hin, und wenn es dann klappt und du abliefern kannst – das muss schon cool sein.»

Noch allerdings ist das Zukunftsmusik, und zunächst geht es darum, die nächsten Schritte zu machen. Diese wird der Boltiger im Europacup gehen – und im besten Fall auch eine Stufe höher. Die Frage, welche Geschichte er am Ende der Saison über sich lesen möchte, ist für ihn denn auch schnell beantwortet. «Dass ich die ersten Weltcup-Punkte gesammelt habe», sagt er. «Und – wenn wirklich alles gut läuft – ich den Fixplatz für den Weltcup geholt habe.»