«Ein ganz starkes Zeichen aus dem Engadin»

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Die Ski-Freestyler und Snowboarder sind für Swiss-Ski seit einigen Jahren Medaillengaranten an Grossanlässen. In diesem Jahr kehrten sie mit sieben WM-Medaillen von den Titelkämpfen aus den USA zurück. Im Interview äussern sich der Swiss-Ski CEO Markus Wolf und Sacha Giger, Sportdirektor Ski Freestyle und Snowboard, zu den Perspektiven und Herausforderungen dieser Sportarten und verweisen auf erfreuliche aktuelle Entwicklungen im Oberengadin.

Die Vorbereitungen für den nächsten Winter sind bereits in vollem Gang. Anlässlich eines Meetings mit den Weltcupveranstaltern vor wenigen Tagen wurden jedoch auch nochmals Bilder der vergangenen Saison in Erinnerung gerufen. Was waren – mit ein bisschen Abstand betrachtet – eure Highlights 2018/19?

Sacha Giger: Eines der Highlights überhaupt in meiner Karriere bei Swiss-Ski war für mich der Freestyle-Event der Snowboarder in Laax. Die Veranstalter standen vor einer grossen Herausforderung, weil die Finals in der Halfpipe erstmals am Abend ausgetragen wurden. Mit drei Podestplätzen sorgten die Slopestyler gar für ein historisches Ergebnis für Swiss-Ski. Es war das beste Resultat aller Zeiten beim am stärksten besetzten Event des Jahres. Eine gelungene Premiere gab es auch in Veysonnaz, wo erstmals gleichzeitig das Weltcup-Finale der Skicrosser und Snowboardcrosser stattfand. Aber auch unsere nationalen Serien machen mir immer wieder sehr grosse Freude, wenn man in die strahlenden Gesichter der jüngsten Athleten schaut und man erlebt, mit wieviel Passion die Helfer mit dabei sind. Dazu gehören auch die gemeinsamen Schweizer Meisterschaften von Freeski und Snowboard Freestyle auf dem Corvatsch.

Markus Wolf: Die Schweiz ist international eine Benchmark, was die Veranstalterkompetenzen betrifft. Ich möchte daran erinnern, dass Leysin kurzfristig die Halfpipe-Junioren-WM der Freeskier und Snowboarder übernommen hat. Auch die Veranstalter des Skicross-Weltcups in Arosa bewiesen nach der nötig gewordenen Verschiebung grosse Flexibilität und stellten erneut eine tolle Veranstaltung auf die Beine. Im Engadin hat Scuol nach 2018 zum zweiten Mal mit Erfolg den Weltcup-Final im Parallel-Riesenslalom durchgeführt, und auf dem Corvatsch feierten die Freeskier am letzten Wochenende des FIS-Weltcup-Kalenders einen würdigen Saisonabschluss.

Mit sieben Medaillen hatten die Ski-Freestyler und Snowboarder den WM-Winter für Swiss-Ski in Park City optimal lanciert. Die Vorgabe von fünf bis sieben Medaillen wurde trotz Wettkampfabsagen erfüllt.

Markus Wolf: Es gab bei diesen Titelkämpfen viele wetterbedingte Herausforderungen, es kam zu Verschiebungen und sogar zu Absagen. Organisatorisch und auch stimmungsmässig war es nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Aber mir hat extrem gut gefallen, wie unser Team mit den Widrigkeiten vor Ort umgegangen ist. Vor allem, weil man gewusst hat, dass an den jeweiligen Tagen gleichwohl ein Medaillensatz vergeben wird – auch wenn die Bedingungen nicht optimal sind.

Sacha Giger: Schade, dass die USA als Freestyle-Nation Nummer 1 es nicht geschafft haben, eine bessere WM zu organisieren. So mussten die WM-Wettkämpfe im Big Air der Snowboarder und im Freeski-Slopestyle der Frauen abgesagt werden. Die Organisatoren waren nicht in der Lage, einen wettkampfwürdigen Big Air zu bauen. Für die Athleten, die deswegen nicht zu ihrem geplanten WM-Einsatz kamen, war das natürlich extrem bitter. Ebenso für uns als Nation, da wir uns in diesen Disziplinen gute Chancen auf zusätzliche Medaillen ausgerechnet haben.

Ganz besonders freut Swiss-Ski, dass das Engadin Ambitionen hegt, sich im Freestyle-Bereich auf der weltweiten Sport-Landkarte noch viel stärker zu positionieren.

Markus Wolf, CEO Swiss-Ski

Welche jüngsten Entwicklungen im Bereich Ski Freestyle und Snowboard geben bei Swiss-Ski zur Freude Anlass?

Markus Wolf: Die verschiedenen Weltcups, die wir in der Schweiz veranstalten, wurden ja bereits angesprochen. Dies zeigt, in welcher Breite der Schneesport hierzulande gelebt und gefördert wird. Ganz besonders freut Swiss-Ski in diesem Zusammenhang, dass das Engadin Ambitionen hegt, sich im Freestyle-Bereich auf der weltweiten Sport-Landkarte noch viel stärker zu positionieren. Alle Oberengadiner Gemeinden haben zusammen bereits mehrere Millionen Franken für den Aufbau einer Freestyle-Strategie zugesichert. Dies ist ein ganz starkes Zeichen, das da – breit abgestützt – aus dem Engadin gesendet wird.

Gibt es Bestrebungen, in der Schweiz, beispielsweise im Engadin, in den kommenden Jahren eine Freestyle-Weltmeisterschaft durchzuführen.

Markus Wolf: Aktuell wird die Möglichkeit geprüft, hierzulande dereinst einen Grossanlass für Snowboard und Ski Freestyle durchzuführen. Unser Ziel ist es, dass das Engadin – die Machbarkeit vorausgesetzt – mit seinen Ambitionen im Ski-Freestyle- und Snowboard-Sport ab 2027 Teil der WM-Strategie von Swiss-Ski wird.

Sacha Giger: Die Durchführung einer solchen Heim-WM wäre ein absolutes sportliches Highlight für alle unsere Athleten, aber nicht zuletzt auch aus touristischer, und damit auch aus ökonomischer Sicht höchst interessant. Mit den Freestyle-Sportarten erreicht man global eine grosse Abdeckung. Insbesondere im asiatischen und nordamerikanischen Raum sind sie extrem populär. Ihr Stellenwert dort ist um einiges höher als hierzulande, wo traditionell der alpine Skisport die klare Nummer 1 ist.

Welches sind die grössten Herausforderungen für den Schweizer Freestyle-Sport?

Sacha Giger: Die liegen eindeutig in der Infrastruktur. Das Sommertraining wird immer wichtiger, deshalb ist eine entsprechende Off-Snow-Infrastruktur in Form eines Landing Bags, einer riesigen Luftkissen-Anlage, zentral. In diesem Bereich sind wir leider daran, international den Anschluss zu verpassen. Wir müssen für diese Trainingsmöglichkeiten mit unseren Profis nach Nordamerika reisen, für den Nachwuchs liegt dies finanziell gar nicht erst drin. Ein möglicher Standort für einen Landing Bag in der Schweiz wäre Leysin, das im kommenden Januar eines der Austragungsorte der Youth Olympic Games (YOG) ist. Um die Nachhaltigkeit dieser Jugend-Winterspiele sicherzustellen, fliessen dort entsprechende finanzielle Mittel. Diese sind zwar eine Art Initialzündung, für eine mögliche Realisierung einer solchen Anlage sind allerdings noch deutlich mehr Mittel nötig.

Markus Wolf: Das Nationale Sportanlagenkonzept NASAK, ein Förderinstrument des Bundes, hilft mit, für die nationalen Sportverbände gute infrastrukturelle Voraussetzungen zu schaffen. Bedauerlicherweise ist NASAK 4 mittlerweile jedoch ausgelaufen, während NASAK 5 politisch erst in der Pipeline und noch nicht beschlossen ist. Gerade jetzt, in dieser Zwischenphase, stünden für uns jedoch essentielle Infrastruktur-Projekte an. Ohne Aussicht auf Bundesgelder sterben uns diese Projekte quasi auf dem Operationstisch weg – mit der Gefahr, dass wir international den Anschluss verlieren.

Die Idealvorstellung wäre, fast das ganze Jahr über in der Schweiz auf Schnee trainieren zu können.

Sacha Giger, Sportdirektor Ski Freestyle und Snowboard

Sacha Giger: Der Zugang zu entsprechender Freestyle-Infrastruktur im eigenen Land ist für uns zentral. Wir wünschen uns deshalb, dass wir die Infrastruktur rund um den Corvatsch durch Erdverschiebungen ausbauen können, denn hier herrschen aufgrund der Höhe und des Klimas bis Mitte Mai beste Trainingsbedingungen auf Schnee. Die vorhin angesprochene Engadiner Freestyle-Strategie kommt uns diesbezüglich entgegen. Dank ihr lassen sich solche Projekte wohl schneller realisieren. Die Idealvorstellung wäre, fast das ganze Jahr über in der Schweiz auf Schnee trainieren zu können – im Sommer und Herbst auf dem Gletscher in Saas-Fee, danach in Laax, Davos und Leysin und von Mitte März bis Mai auf dem Corvatsch.

Markus Wolf: Erfreulich ist im Zusammenhang mit dem Thema Infrastruktur die Entwicklung der Freestyle-Hallen in unseren Nationalen Leistungszentren in Brig, Davos und Engelberg. Von diesen drei Standorten ging viel Initiative aus. Im letzten Herbst konnte in Brig, im Rahmen eines NASAK-Projekts, eine Off-Snow-Trainingshalle eröffnet werden, in Davos wurde ein Tenniscenter entsprechend umgebaut. Ein weiterer Ausbau ist dort in Planung. Engelberg war im Bereich Off-Snow-Trainingshalle für die Freestyle-Sportarten Vorreiter und plant bereits wieder weitere Ausbauetappen seiner Off-Snow-Infrastruktur.

Sacha Giger: Dass ich mich als Sportdirektor von Swiss-Ski für alle strategisch wichtigen Infrastruktur-Projekte einsetze, die für unsere Ski-Freestyler und Snowboarder bessere Trainingsbedingungen zur Folge haben, liegt auf der Hand. Schliesslich will ich das Bestmögliche für unsere Athletinnen und Athleten in den Sportarten Snowboard, Freeski, Skicross, Aerials und Moguls herausholen. Unabhängig davon ist es unbestrittene Tatsache, dass der Ski-Freestyle- und Snowboard-Sport international immer mehr an Bedeutung gewinnt. In Peking 2022 werden sieben Disziplinen erstmals im Programm von Olympischen Winterspielen figurieren – vier davon kommen aus dem Bereich Ski Freestyle/Snowboard. Insgesamt werden dann 24 Medaillensätze in diesen Sparten vergeben – mehr als in allen übrigen Sportarten. Nichtsdestotrotz ist die Vermarktung – und damit die Finanzierung – dieser Sportarten für uns eine grosse Herausforderung.