Die Moguls Athletin Deborah Scanzio ist bereit für die Olympischen Spiele

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Sie hat schon WM-Bronze gewonnen, 2015 als Gesamtweltcup-Siebte überzeugt, und hinter ihr liegt ein doppelter Nationenwechsel: Deborah Scanzio, 31, eine Ski-Freestylerin ohne geografische Grenzen.

Ihr bevorzugtes Terrain ist in der Regel uneben, ihr Weg im Sport verlief entsprechend. Deborah Scanzio hat sich keine einfache Ski-Disziplin ausgesucht. Hügel oder eher kleine bis grössere Buckel stellen die Tessinerin vor eine besondere Herausforderung. Sie schlängelt sich rasend schnell durch den Parcours und dreht im steilen Gelände Flips.

Als Primarschülerin erkundete sie in der Leventina zusammen mit Kollegen nicht das alpine Gelände, sondern den speziell schwierig präparierten Hang. Die kindliche Freude hat sie nie verloren, auch in der 15. Weltcup-Saison nicht. Sie ist den Eltern noch heute dankbar, dass sie ihrer Tochter einst empfohlen hatten, besser auf den Freestyle-Ski-Sport zu setzen als sich aufs Eiskunstlaufen zu konzentrieren.

Dass die Schweiz in der Moguls-Geschichte in den letzten zwei Dekaden nur in ein paar Ausnahmefällen mehr als Randnotizen produziert hat, interessierte Scanzio zu Beginn ihrer Laufbahn nur marginal. Die grossen Figuren stammten aus Frankreich und Nordamerika. Der Entertainer Edgar Grospiron und der frühere US-Superstar Jonny Moseley inspirierten in den Achtziger- und Neunzigerjahren den Nachwuchs.

"Moseley war für mich eine Legende. Er hat mich geprägt", sagt Scanzio. Sie sitzt 48 Stunden vor ihrem Start in der Qualifikation im House of Switzerland, ihre Augen leuchten. Einen Diplomrang peilt sie an. Die wichtigste und grösste Bühne für Athletinnen, die im Alltag in der Regel ausserhalb der medialen Wahrnehmung engagiert sind, löst bei der Südschweizerin keine Hektik aus. Sie kennt den XXL-Rahmen, in Pyeongchang steht sie zum vierten Mal im olympischen Schaufenster.

Business as usual? Nicht ganz, Südkorea hält für eine der routiniertesten Vertreterinnen der Swiss-Olympic-Equipe ein Novum bereit: Scanzio tritt an Winterspielen erstmals unter Schweizer Flagge an. Während zwölf Jahren und bis 2014 repräsentierte sie die Squadra Azzurra. Im Alter von 16 zog die Enkelin eines sizilianischen Grossvaters die italienische Offerte, Teil des Projekts "Torino 2006" zu sein, dem wirtschaftlich klammen Moguls-Nationalteam in der Heimat vor; nach einem Meeting in Magglingen war klar: In der Schweiz fehlte alles - das Geld, die Strukturen, ein Plan.

Christoph Perreten erinnert sich an weitere Beweggründe: "Im Vorfeld des Olympia-Heimspiels herrschte in Italien Goldgräberstimmung. In der Schweiz hingegen war die Sportart an einem Tiefpunkt angelangt." Nur sei Scanzios Nationenwechsel immer auch ein halber Schweizer Weg gewesen, betont der Freestyle-Chef: "Mit ihr wechselte auch ein Teil des Schweizer Coaching-Stabs in den Süden."

Auf den Abgang des Talents reagierte der Schweizer Verband nüchtern. Er strebte in den Folgejahren eine zunächst lose Kooperation an, die sukzessive verstärkt wurde. Im Zyklus vor den Spielen in Sotschi weiteten die Partner ihr Verhältnis zur intensiven Zusammenarbeit aus - bis die Südeuropäer im Frühling vor vier Jahren die Prioritäten im Schneesport verlagerten und das Team um Scanzio faktisch auflösten.

In der ungemütlichen Situation bot Swiss-Ski Hand zur Lösung, und Scanzio nahm die Einladung zur offiziellen Rückkehr selbstredend gerne an. "Es war im Prinzip immer mein Traum, eines Tages wieder für die Schweiz zu starten." Ihr Comeback ist für alle Beteiligten eine klassische Win-Win-Situation. Erstmals seit 2002 markiert die Schweizer Equipe auf Olympia-Ebene im Feld der Buckel-Spezialisten wieder Präsenz.

Mitmachen allein genügt nicht, Perreten und Co. haben ambitionierte Ziele im Kopf: Es geht um die beste Einzel-Klassierung der Verbandsgeschichte ausserhalb einer WM und der Weltcup-Tour. Mit einer Hoffnungsträgerin aus Piotta, einem Dörfchen im Sopraceneri, das sonst nur wegen des Hockeyclubs Ambri Schlagzeilen produziert. Nun soll die Saisonkarteninhaberin des HC Ambri-Piotta selber in den überregionalen Fokus rücken: Deborah Scanzio.