Ruedi Weber – der Allrounder

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Ruedi Weber steckt auf dem Gletscher in Saas-Fee für seine Fahrerinnen und Fahrer einen Trainingskurs aus.

Ruedi Weber ist seit fünf Jahren Cheftrainer Telemark bei Swiss-Ski. Diesen Job übt er jedoch nur während der Wintermonate aus – im Sommer arbeitet er als Bademeister.

Ein eisiger Wind weht auf dem Gletscher in Saas-Fee, die Sonne steht noch nicht hoch am blauen Himmel. Es verspricht ein strahlender Tag zu werden an die- sem Novembermorgen. Ruedi Weber und sein Team sind dabei einen Trainingskurs auszustecken: Mit Unterstützung des Skigebiets und dem Einsatz eines Pistenfahrzeuges wurde eine Schanze gebaut, nun steckt der Cheftrainer mit Bohrmaschine und Messband bewaffnet einen Lauf aus. Später wird Ruedi Weber Videoaufnahmen machen, anschliessend die Läufe analysieren und wenn nötig Korrekturen am Kurs vornehmen.

400 Gramm Cheddar-Käse für Podestplatz

Der ehemalige Grenzwächter ist seit 2013 Cheftrainer bei Swiss-Ski. Zuvor amtete er drei Jahre als Assistenztrainer von Michel Bonny. Die Faszination fürs Telemark erfasste Weber vor rund 30 Jahren. «Mir gefällt das etwas andere Alpin-Skifahren, da ich dabei weder auf Buckel, Tiefschnee noch auf steile Hänge verzichten muss», schwärmt der 53-Jährige. Dass es sich bei seiner Sportart aber um eine Randsportart handelt, bekommt Ruedi Weber immer wieder zu spüren. Primär durch seine nur halbjährige Anstellung bei Swiss-Ski. «Als Trainer wäre es von Vorteil, sich das ganze Jahr über dem Job widmen zu können, aber dann müsste das auch für die Athletinnen und Athleten gelten.» Diese gehen nämlich alle noch einem Beruf oder einem Studium nach.

Mir gefällt das etwas andere Alpin-Skifahren, da ich dabei weder auf Buckel, Tiefschnee noch auf steile Hänge verzichten muss.

Ruedi Weber, Cheftrainer Telemark

Telemark hat in den letzten Jahren einen Wandel durchgemacht: Es ist professioneller geworden, die Medienpräsenz hat zugenommen und mittlerweile gibt es von jedem Rennen einen Livestream im Internet. Für einen nicht olympischen Sport sei es jedoch schwierig genügend Sponsoren zu finden. Ob und wie viel ein Veranstalter Preisgeld zahlt, ist von der FIS nicht festgeschrieben. «In den USA gab es für einen Podestplatz gerade einmal 400 Gramm Cheddar-Käse», erzählt Ruedi Weber. Das Telemark-Team verfügt auch nicht über eigene Serviceleute oder eine ständig mitreisende Physiotherapeutin, die war letzte Saison nur an den Weltmeisterschaften und am Weltcup-Final dabei. «Auf Reisen bin ich Ansprechperson für alle und alles: sei es für Arbeiten auf dem Schnee, medizinische Hilfe oder auch für persönliche Anliegen.» Für seinen Job benötigt der Cheftrainer also nicht nur technisches Know-how, sondern auch gute Menschenkenntnis, Durchsetzungsvermögen, Geduld und ein offenes Ohr. Auf Reisen und an Wettkämpfen erhält er meistens Unterstützung von seinem Vorvorgänger und heutigen Sportarten-Chef Hans-Peter Birchler. Er versucht ihm generell den Rücken freizuhalten, so dass sich Ruedi Weber jeweils auch etwas zurückziehen kann.

Cheftrainer greift gern zum Kochlöffel

Aus Mangel an Personal sind am Start und direkt im Ziel keine Swiss-Ski Betreuer postiert. «Wir müssen im Voraus schauen, wo wir die warmen Mäntel, Funk usw. deponieren können», beschreibt Ruedi Weber. Am Wachstisch arbeitet auch kein Servicemann, die Ski werden immer von Athleten selber präpariert. Während des Rennens steht der Cheftrainer beim Kreisel, analysiert den Sprung und gibt den Athleten nebst Reservestöcken auch sein Feedback ab.

Ein Grossteil von Ruedi Webers Arbeit spielt sich nicht auf dem Schnee ab, sondern besteht aus dem Organisieren und Koordinieren von Trainings, Unterkünften und Reisen. Zur Vorbereitung trainiert das Team jedes Jahr in Saas- Fee, wo sich die Athletinnen und Athleten Wohnungen teilen. Abwechslungsweise wird gekocht, Cheftrainer inklusive. «Da kommt mir meine Lehre als Koch zugute», meint Weber augenzwinkernd. Seine Spezialitäten sind aufwändigere Fleischgerichte wie Schweinshaxe mit Gemüse – als Abwechslung zu Pizza und Pasta. Alle Teammitglieder helfen den grossen Haushalt zu führen. Ruedi Weber macht dabei einen Generationenwechsel aus: Während die Älteren die Arbeit selber sehen, müssen die Jüngeren häufiger darauf hingewiesen werden.

Da kommt mir meine Lehre als Koch zugute.

Ruedi Weber

«Aber dann klappt es eigentlich gut.» Das Telemark-Team hockt im Winter oft eng aufeinander, die Wohnungen und Zimmer sind nicht selten überbelegt. «In Slowenien teilten sich acht Personen ein Viererzimmer», erzählt Weber. Da ist es umso wichtiger, dass sich die Mannschaft gut versteht. Damit sich die Fah- rerinnen und Fahrer auch im Sommer sehen, werden ein bis zwei Trainings organisiert wie beispielsweise eine Biketour.

Bademeister im «schönsten Strandbad der Schweiz»

100 Tage ist Ruedi Weber zwischen Oktober und März für Swiss-Ski unterwegs. Auf Reisen legt der Cheftrainer Wert auf einheitliche Kleidung, schliesslich will man als Team auftreten. «Ich werde dann auch gern mal als Feldweibel betitelt», sagt der Thuner schmunzelnd. Um sich zwischen den Rennen noch etwas dazuzuverdienen, arbeitet er bei Grindelwaldsports als Schneesportlehrer und unterrichtet Gäste auf Telemark- sowie Alpinski. Und wie eingangs erwähnt ist der Telemark-Cheftrainer im Sommer als Bademeister tätig. «Im schönsten Standbad der Schweiz», wie er selber schwärmt. Gemeint ist das Thuner Strandbad, «Strämu» genannt. Weber geniesst es jeweils sehr zuhause zu sein, Zeit mit seiner Frau verbringen zu können und Steinpilze zu suchen. Ihm gefallen seine zwei Jobs und die Abwechslung, die sie mit sich bringen. Es gibt natürlich auch Parallelen: beides verlangt körperliche Fitness und an beiden Orten hat Ruedi Weber mit Menschen zu tun. Auf die Frage, in welcher Jahreszeit er sich den wohler fühlt, fällt ihm die Antwort nicht schwer: «Der Sommer ist okay, aber ich bin lieber auf dem Schnee.»

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